: "Wir sind heute neu gefordert"
■ Nur ein Verbleib der Grünen in der Koalition kann verhindern, daß Clement sich durchsetzt, so Reiner Priggen, grüner Vorstandssprecher in NRW
taz: Herr Priggen, die grüne Umweltministerin hat die Zulassung des Rahmenbetriebsplans für Garzweiler II durch Wirtschaftsminister Clement (SPD) als „politische Genehmigung“ klassifiziert. Sie haben auf ihrem letzten Parteitag für einen solchen Fall das Ende der Koalition beschlossen. Jetzt wollen Sie trotzdem weitermachen. Ist das nicht ein Wortbruch ohne Beispiel?
Reiner Priggen:Nein! Es geht hier nicht um Wortspiele, sondern um eine sachliche Auseinandersetzung über ein wahnwitziges Großprojekt, das wir ablehnen und weiterhin verhindern wollen. Die Frage ist, wie wir dieses Ziel am ehesten erreichen können. Innerhalb oder außerhalb der Regierung? Unsere Umweltministerin ist nach einer intensiven Überprüfung zu dem Schluß gekommen, daß sie als zuständige Fachministerin im weiteren Verfahren die ökologischen und energiewirtschaftlichen Fragen ergebnisoffen überprüfen kann. Abhängig vom Ausgang dieser Überprüfung kann das Projekt noch ganz oder zumindest teilweise verhindert werden. Diese Möglichkeiten sollten wir nun nutzen, denn ein Ausstieg machte uns doch bei Garzweiler völlig handlungsunfähig.
Ihr Parteibeschluß war also nur eine leere Drohung?
Die Zeit ist weitergegangen und wir sind heute neu gefordert, zu entscheiden, welche Konstellation der Erreichung unserer Ziele am besten dient. Wenn wir uns jetzt aus der Koalition verabschieden, geben wir genau an der Stelle, an der nicht mehr Wolfgang Clement, sondern die Umweltministerin die handelnde Akteurin ist, unsere Möglichkeiten aus der Hand. Das hielte ich für unklug. Wir machten uns damit auch gegenüber den Bürgerinitiativen unglaubwürdig.
Ist das nicht nur ein Rückzugsgefecht, um die rot-grüne Option für Bonn zu wahren?
Eindeutig nein! Völlig unabhängig von Bonn und den positiven Ergebnissen, die wir auf anderen Politikfeldern in der Düsseldorfer Koalition erreicht haben, wäre ich allein wegen Garzweiler II für den Verbleib in der Koalition. Denn die Alternative wäre doch, daß wir das Projekt Clement und dem SPD-Fraktionschef Matthiesen überließen.
Das rot-grüne Bündnis als partenerschaftliche Koalition ist doch tot.
Wir haben keine Koalition mit Clement, und unser Arbeitsfeld beschränkt sich nicht nur auf Garzweiler II. Wir haben hier einen Dissens. Das war immer klar. Wir wissen aus den umweltpolitischen Auseinandersetzungen der vergangenen Jahre, daß man solche Großprojekte nur über die Zeitachse verhindern kann. Wer da zu früh aussteigt, nützt nur der Gegenseite.
Clement soll nach dem Willen der nordrhein-westfälischen SPD- Führung noch im Sommer Nachfolger von Ministerpräsident Rau werden. Ist es noch vorstellbar, daß die Grünen ihn im Landtag wählen?
Die Frage steht zur Zeit nicht an. Interview: Walter Jakobs
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