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„Die Lage in Algerien muß vor die UNO“

■ Volkmar Deile, Generalsekretär der deutschen Sektion von amnesty international, fordert eine UN-Untersuchung der Massaker in Algerien. Dafür sei aber ein Beschluß des Sicherheitsrates nötig

taz: Was sollte die internationale Gemeinschaft angesichts der eskalierenden Menschenrechtsverstöße in Algerien tun?

Volkmar Deile: Amnesty setzt sich seit Oktober letzten Jahres für die Einberufung einer Sondersitzung der UNO-Menschenrechtskommission über die Lage in Algerien ein. Und für eine sofortige Untersuchung der Massaker in Algerien, deren Opfer ja die unschuldige Zivilbevölkerung ist, durch unabhängige internationale Experten. Denn nur nach einer genauen Ermittlung der bislang unklaren Fakten ist auch eine Beurteilung der Lage und die Feststellung der Verantwortung für die Massaker letztendlich möglich. Doch mit dieser Forderung hatten wir bislang ebensowenig Erfolg wie mit dem Versuch, Algerien im für Menschenrechtsfragen zuständigen Ausschuß der gerade zu Ende gegangenen Generalversammlung der UNO in New York zu machen.

Woran sind Ihre Bemühungen bislang gescheitert?

An der mangelnden Bereitschaft vieler Regierungen, die algerische Regierung dazu zu bewegen, diese unabhängige Untersuchung der Lage zuzulassen.

Die Regierung in Algier weist dieses Verlangen als Einmischung in innere Angelegenheiten des Landes zurück.

Das ist eine neue Form der Abwehrhaltung. Zunächst hatte die algerische Regierung ja noch behauptet, sie habe die Lage unter Kontrolle, und es handele sich um vereinzelte „Restgewalt“. Diese Behauptung läßt sich ja nun nach den zahlreichen Massakern der letzten Tage und Wochen, die viele hundert Tote forderten, nicht mehr aufrechterhalten. Und wir werden die Forderung nach einer Behandlung Algeriens durch die Menschenrechtskommission auch anläßlich der Mitte März beginnenden Jahressitzung der Kommission erneut vorbringen.

Angenommen, in der UNO- Menschenrechtskommission fände sich nun nach den jüngsten Massakern die notwendige Mehrheit von mindestens 27 Mitgliedsstaaten für die Einberufung einer Sondersitzung zu Algerien. Was könnte diese Sitzung erbringen?

Sie könnte – notfalls auch ohne Zustimmung der Regierung in Algier – eine Resolution zur Lage in Algerien fassen und Maßnahmen wie zum Beispiel die Entsendung eines Sonderberichterstatters beschließen, wie dies ja auch im Herbst 1992 im Fall von Exjugoslawien und im Frühjahr 1994 zu Ruanda geschehen ist.

Über die Entsendung von Experten des Genfer UNO-Menschenrechtszentrums zu Folter und willkürlichen Erschießungen wird zwischen UNO und Algier bereits hinter den Kulissen verhandelt. Bislang ohne Erfolg. Gibt es notfalls auch Zwangsmittel, um eine unabhängige Untersuchung der Lage in Algerien durchzusetzen?

Theoretisch ja. Allerdings erfordert das einen Beschluß des UNO- Sicherheitsrates. Und bislang sehe ich keine Bereitschaft für die Anwendung derartiger Druckmittel.

Die UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Mary Robinson, ist von westlichen Diplomaten bei der UNO dafür kritisiert worden, sie habe sich öffentlich – zum Beispiel im Dezember bei einer Rede vor Nichtregierungsorganisationen, bei der auch der algerische Botschafter im Raum war – zu ausführlich und deutlich zur Lage in Algerien geäußert. Dies sei taktisch unklug gewesen. Teilen Sie diese Kritik?

Daß westliche Diplomaten derartige Kritik äußern, kann ich mir vorstellen. Vom Standpunkt der Opfer der schweren Menschenrechtsverstöße in Algerien hat die UNO-Hochkommissarin richtig gehandelt. Und darauf kommt es an. Interview: Andreas Zumach

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