piwik no script img

Die Bremer Kinotaz ... ... alle Filme, alle Termine

A

Air Force One USA 1997, R: Wolfgang Petersen, D: Harrison Ford, Gary Oldman, Glenn Close

„Was diesseits des Atlantiks böse Satire vermuten ließe, daraus wird in Hollywood ein ganz und gar ironiefreier Action-Thriller – grimmig ernst wie „Terminator“, „Rambo“und „Die Hard“zusammen. Harrison Ford spielt den US-Präsidenten Marshall, der gerade noch in Moskau der Welt versprochen hat, vor dem Terrorismus niemals in die Knie zu gehen, und der nun auf dem Rückflug in die Hände kommunistischer Terroristen gerät. Die Schurken stellen ihn vor die Alternative: Familie oder Vaterland. Der Präsident aber tut, was ein Mann tun muß: er kämpft für Familie - und Vaterland. Natürlich hat Petersen es verstanden, daß ein solch pop-patriotischer Film nur dann ein großes Publikum findet, wenn der echte Präsident auch ein Popstar sein möchte. Einer, der den Auftritt liebt, nicht aber die Durchsetzung politischer Inhalte; der sich nach der Vorführung des Films freut, daß endlich einmal der Präsident ein Held sein darf, und der hofft, daß etwas von Fords Glamour und Sex auf ihn abstrahlt.“(Der Spiegel) UFA-Stern

Alien – Die Wiedergeburt USA 1997, R: Jean-Pierre Jeunet, D: Sigourney Weaver, Winona Ryder, Ron Perlman

„Das schleimige Ding west weiter, und auch im vierten Teil der Science-Fiction-Serie „Alien“geht es seiner Lieblingsbeschäftigung nach: Fressen und Befruchten. Selbst die dienstälteste Alien-Bekämpferin Ripley (Sigourney Weaver) mußte sich am Ende von Teil drei von einem der Monster begatten lassen und sterben. Nun ist die Heldin als Klon-Mutant neu entstanden und ringt mit Muttergefühlen für ein Schleimwesen, dessen Großeltern sie einst über die Kinoleinwände gejagt hatte. Erst als die Androidin Call (Winona Ryder) auftaucht, sieht Ripley wieder klar: Das Alien ist der Feind, dem die selbst zum Cyber-Girlie mutierte Ripley allerdings näher ist als jemals zuvor. Dem Zuschauer gibt der französische Regisseur Jean-Pierre Jeunet in dem Cyber-Märchen, trotz einiger bestechender Bilder, wenig Chance zur Klarsicht.“(Der Spiegel) UFA-Palast, UT-Kinocenter

Amore Amore Italien 1997, R: Leonardo Pieraccioni, D: Leonardo Pieraccioni

Malerische toskanische Landschaft untermalt mit spanischem Flamenco. Wer's sehen möchte - auch noch viel Bein und Busen und natürlich fortlaufend italienisches Macho-Gehabe. Eine seichte Love-Story dazu und am Ende sind alle glücklich. (Irmgard Jäger) Atelier

Die Apothekerin Deutschland 1997, R: Rainer Kaufmann, D: Katja Riemann, Jürgen Vogel

„Eine Frau zwischen zwei Männern, einige Leichen und Gift in den verschiedensten Formen – das sind die Bestandteile von Kaufmanns (“Stadtgespräche“) makabrer Komödie. Nicht zu vergessen ein exquisites Schauspielerensemble, das aber leider auch nicht verhindern kann, daß zu viele Zutaten den Brei verderben. Denn die Geschichte von Apothekerin Hella, die sich mit tödlichen Konsequenzen erst in den windigen Zahnmedizin-Studenten Levin, dann in Ex-Knacki Dieter und schließlich in Langweiler Pawel verliebt, wäre sooo gern tiefschwarz.“(TV-Spielfilm)Ufa-Stern

B

Benjamin Blümchen Deutschland 1997, R: Karl Blatz

Bekannt wurden der sprechende Elefant Benjamin Blümchen und die kleine Hexe Bibi Blocksberg durch Hörspielcassetten und Videos für Kinder. Jetzt kommen sie pünktlich zur Weihnachtszeit in einem deutschen Billig-Zeichentrickfilm ins Kino. UT-Kinocenter

Das Boot – Director's Cut Deutschland 1981/97, R: Wolfgang Petersen, D: Jürgen Prochnow, Herbert Grönemeyer, Klaus Wennemann

„Der ultimative U-Boot-Thriller ist jetzt noch ultimativer“schrieb der „Boston Globe“. Zunächst einmal ist er noch länger: Aus nur in der TV-Fassung genutztem Material steckte Petersen die Kinoversion auf dreieinhalb Stunden, um die Charaktere noch besser herauszuarbeiten. Am Wichtigsten war es ihm, den Sound an die modernsten Dolby-Surround-Standards anzupassen. Das Publikum soll mit Jürgen Prochnow, Herbert Grönemayer und Co. zusammenzucken, wenn rings um den schwimmenden Sarg U 96 die Wasserbomben hochgehen, sich von hinten die feindlichen Flieger nähern und vorne ein Bolzen aus der Schiffswand kracht. Eine Tauchfahrt des Grauens - noch spannender, noch bedrohlicher.“(P. Ludewig) UFA-Stern

C

Comedian Harmonists Deutschland 1997, R: Joseph Vilsmaier, D: Ben Becker, Ulrich Noetken, Kai Wiesinger

Diese posthume Erfolgsgeschichte mußte natürlich auf der großen Leinwand enden, und der große Gefühlsbademeister Vilsmaier ist wohl auch der richtige Mann dafür. Man könnte sich zwar auch eine schön böse Tragikomödie von Helmut Dietl vorstellen, die dem raffinierten Witz ihrer Lieder sicher näherkäme, aber bei Künstlerbiographien mit solchen Pflichtzutaten wie „Aufstieg und Fall“, den Greatest hits und Schauspielern, die den Originalen möglichst ähnlich sehen, stört zuviel Originalität nur. Und im großen und ganzen hat Vilsmaier auch alles richtig gemacht: Die Ausstattung ist prächtig, und das Grundübel aller Biopics löste er mit dem gängigen Trick: Wenn zu wenig passiert, kommt eine Liebesgeschichte immer gut. Vilsmaier will großes Gefühlskino, und so freuen wir uns mit den netten Jungs, wenn sie nach soviel Probenarbeit endlich den verdienten Erfolg haben, und wenn die Nazis sie dann mit ihren Rassegesetzen auseinanderzwingen, sind wir angemessen empört. Dabei hat er natürlich geglättet: Die böse Pointe, daß die arischen Bandmitglieder ihre jüdischen Partner nach deren Emigration in die USA wegen Verdienstausfalls verklagten, verschweigt er uns, um damit nicht den rührenden Abschied am Bahnhof zu verderben, bei dem die schöne junge Frau sich dann doch noch für das richtige Bandmitglied entscheidet. Nur die Diskrepanz zwischen dem eher schwerfälligen Film und der leichtfüßigen Musik der Comedian Harmonsts irritiert etwas: dies ist der kleine grüne Kaktus in Cinemascope. (hip) Schauburg, City, Gloria (Del), Passage (Del), Casablanca (Ol)

E

Ein Fall für die Borger Großbritannien 1997, R: Peter Hewitt, D: John Goodman, Marc Williams

„Für die Familie Clock, die zum Völkchen der „Borger“gehört, ist jeder Kühschrank ein Everest, jede Küchendurchquerung ein Abenteuer a la „Indiana Jones“. Die zwergenhaften Clocks leben unter dem Häuschen der Lenders, von denen sie sich „borgen“was sie brauchen. Als ein habgieriger Anwalt (John Goodman) das Haus abreißen lassen will, eilt die pfiffige Arietty Clock (Flora Newbigin als Mix aus Pippi Langstrumpf und Laura Ingalls) zu Hilfe. Die Ausstattung ist exquisit, die Effekte sind, obwohl kein Hollywood-Standard, charmant. Liebevoller geht's kaum.“(TV-Spielfilm) Ufa-Stern, UT-Kinocenter

Der eiskalte Engel (Le Samourai) Frankreich/Italien 1967, R: Jean-Pierre Melville, D: Alain Delon, Natalie Delon, Francois Perier

„Jean-Pierre Melvilles „Le Samourai“ist die ästhetische Vollendung des französischen Unterweltfilms, ein Werk, das in seiner rigorosen Stilisierung fast etwas Abstraktes hat: Kino in Reinkultur, das seine Vorbilder überwand und in der Perfektion seiner Inszenierung nur noch auf sich selbst verweist. Dieses elegische Requiem für einen Killer überzeugt nicht nur als Studie über Einsamkeit und Entfremdung; es ist zugleich, durch rauschhafte Schönheit und Transponierung musikalischer Bilder und Töne in erlesenen Einstellungen, Inkarnation dieser Isolation. Es gibt keine größere Einsamkeit als die des Samourais, es sei denn die des Tigers im Dschungel. Der Satz, angeblich aus dem Samourai-Buch „Bushido“, leitet als Motto den Film ein. Der Protagonist Jeff Costello ist beides: Tiger und Samourai. Im Laufe einer Geschichte, die linear und präzise wie ein Uhrwerk abläuft, wird Jeff in den letzten Tagen seiner Existenz beobachtet: als philosophischer Held.“(Hans Gerhold) Kino 46

Der Eissturm USA 1997, R: Ang Lee, D: Kevin Kline, Sigourney Weaver

Was macht ein Regisseur nach solch einem triumphalen Welterfolg wie „Sinn und Sinnlichkeit“? Die meisten Filmemacher würden den einfachsten Werg gehen, und sich als Spezialisten für sensible Kostümschinken etablieren. Ang Lee ist mutiger sowie geschickter, und inszenierte mit „The Ice Storm“das absolute Gegenstück zu seinem letzten Film. Statt der sonnigen Wiesen im England des 19. Jahrhunderts zeigt er uns nun das winterlich-graue Amerika der 70er Jahre. Vom ersten Bild eines von Eiszapfen starrenden Vorortszuges an ist das Eis die übermächtige Metapher für diese erstarrte Gesellschaft. In den etwas feineren Vororten von New Canaan, Conneticut scheinen 1973 die Kinder reifer zu sein als ihre Eltern. Präsident Nixon, die Vaterfigur der Nation, wurde gerade des Lügens überführt, und die Erwachsenen probieren solche neumodischen Verhaltensweisen wie Partnertausch oder Ladendiebstahl aus. Der Film wirkt manchmal geradezu besessen von Zeit und Raum, selbst auf Kosten des Erzählflusses. Man bekommt eher kleine Einblicke in das Leben zweier Mittelklassefamilien als eine genau definierte Geschichte. Dafür ist die Ausstattung perfekt abgestimmt mit viel Polyester, potthäßlichen Frisuren, Wasserbetten und Cordanzügen. Auf den ersten Blick wirkt „Der Eissturm“grau und abweisend, aber Lee bewahrt auch hier seinen freundlich-ironischen Touch, der den ewigen Winter des Films erträglich macht. (hip) Schauburg, Casablanca (Ol)

G

The Game USA 1997, R: Peter Fincher, D: Michael Douglas, Sean Penn

„Michael Douglas wird von Sean Penn dazu verführt, Mitglied in einem Club zu werden, der als Spiel die Leben von Menschen in Filmdrehbücher verwandelt. Dies ist ein Yuppie-Alptraum, ein persönlicher Gau für einen Kontrollfreak. Ein wenig wie Hitchcocks „Der unsichtbare Dritte“, wo auch ein Mann sein Leben perfekt organisiert hat, und es löst sich vor seinen Augen auf. David Fincher, der vorher „Sieben“inszeniert hat, ist sehr gut darin, diese Alptraumathmosphäre heraufzubeschwören, aber das große Problem ist, daß der Plot einfach keinen Sinn macht. Man fragt sich den ganzen Film über, was dieses „Game“eigentlich ist. Entweder ist es wirklich ein raffiniertes Spiel oder ein böser Trick, um den Mitspielern alles Geld abzuknöpfen und sie in den Selbstmord zu treiben. Und die Schlußpointe ist dann genau die Lösung, die man selbst schon als zu lächerlich abgetan hat, weil sie physikalisch einfach unmöglich ist. Das sollen wir nun schlucken und dazu noch, daß Michael Douglas all das brav über sich ergehen läßt, was einfach nicht zu seiner Figur paßt. Wenn man den Film als kafkaeske Achterbahnfahrt genießt, mag man ihm das Ende vielleicht verzeihen, aber das Publikum wird hier übel hereingelegt.“(Chris Tookey) UFA-Stern

Ganz oder Gar nicht Großbritannien 1997, R: Peter Cattaneo, D: Robert Carlyle, Tom Wilkinson, Mark Addy

„Weil nackt zu tanzen immer noch besser ist als arbeitslos rumhängen, gründen sechs schmalbrüstige, unmusikalische und dickbäuchige Männer eine Stripteasetruppe. Nur britisches Kino schafft es, Themen wie den Niedergang der Stahlindustrie mit Familienvätern in roten Latex-Tangas zusammenzubringen – spöttisch, komisch und sentimental.“(Der Spiegel) Ufa-Stern, UT-Kinocenter, Casablanca (Ol) / Originalfassung ohne Untertitel im UFA-Palast

H

Hercules USA 1997, R: Ron Clemens

„Dies ist nach dem eher ernsthaften „Glöckner von Notre Dame“eine Rückkehr zum süßlich-komischen Stil von „Die Kleine Meerjungfrau“und „Aladin“. Es ist natürlich völlig anders als alles, woran wir uns aus der antiken Heldensage erinnern: Sehr amerikanisch, laut und vulgär, aber halt auch ein großer Spaß. Zeus, der in der griechischen Mythologie ja eher ein Serien-Vergewaltiger war, wird uns hier etwa als liebender Familienvater vorgeführt, und das Happy End läßt „Herc“, wie er genannt wird, mit seiner Freundin Megara glücklich werden, während wir doch in der Schule gelernt haben, daß er wahnsinnig wurde und Megara sowie alle seine Kinder umbrachte. Aber sowas geht bei Disney nun wirklich nicht. Die ganze Sache hat mehr mit Hollywood-Genres als mit der griechischen Mythologie zu tun: So gibt es wie in „Rocky“einen Trainer, der Herkules zu einem Boxchampion trimmt, oder Megara umgarnt „Herc“mit ihrer Perlenkette wie einst Barabara Stanwyck den Henry Fonda in „The Lady Eve“.“(Christopher Tookey) UT-Kinocenter, Ufa-Palast, Passage (Del), Wall- & Ziegelhofkinos (Ol)

Die Hochzeit meines besten Freundes USA 1997, R: P.J. Hogan, D: Julia Roberts, Dermont Mulroney, Cameron Diaz, Rupert Everett

„Dies ist ein äußerst komischer Film, der von vielen Kritikern in den USA und England völlig falsch verstanden wurde. Wie die meisten meiner Kollegen habe auch ich mich in den letzten Jahren über Julia Roberts mokiert, aber hier gibt sie ein brilliante Leistung als komische Schauspielerin. Dies ist eine „screwball comedy“, und bei den Versuchen, auf fürchterlichen und irrsinnigen Umwegen ihre große Liebe zu erobern, stellt sich Julia Roberts auch nicht absurder an als Cary Grant in „His Girl Friday“auf der Jagd nach Rossalind Russel. Es scheint nur viele zu stören, daß diesmal ausnahmsweise mal die Frau die aktive Rolle spielt. Ein anderer Grund für die Mißverständnisse ist, daß der Film wie eine konventionelle Komödie beginnt, aber am Ende in eine ganz andere Richtung läuft. Aber man merkt schnell, daß Julia Roberts mit ihrem schwulen Freund Rupert Everett viel mehr Spaß hat als in einer Ehe mit einem Bettvorleger wie Dermot Mulroney. Das Publikum kommt viel schneller dahinter als einige meiner Kollegen, und so mäkeln sie an dem unorthodoxen Happy-end herum.“(Christopher Tookey) UFA-Palast, UT-Kinocenter, Lichtspielhaus (Del), Wall- & Ziegelhofkinos (Ol)

J

Jenseits der Stille Deutschland 1996, R: Caroline Link, D: Howie Seago, Emmanuelle Laborit

„Caroline Link zeigt, daß mit dem deutschen Kino auch dann noch zu rechnen ist, wenn ihm das Lachen vergangen ist: Eine Tochter gehörloser Eltern wird ausgerechnet Musikerin. Die Eltern begreifen nicht, daß sie sich mit ihrer Klarinette jenseits der Sprache ausdrücken kann – genauso wie diese mit ihren Gebärden. Mit „Jenseits der Stille“ist der jungen Regisseurin ein wunderbar musikalischer Film aus der Welt der Taubstummen gelungen.“(Der Spiegel) Cinema, Passage (Del), Wall- & Ziegelhofkinos (Ol)

L

L.A. Confidential USA 1997, R: Curtis Hanson, D: Guy Pears, Russell Crowe, Kevin Spacey, Kim Basinger

„Vielleicht sollten wir über diesen Film reden, indem wir über andere Filme reden. Erinnern wir uns an die Unübersichtlichkeit und den Fatalismus der besseren Chandler- und Hammett-Adaptionen, an die bittere Lakonie und erzählerische Ökonomie von Siegels „Dirty Harry“. Auch an die fiebrig neurotischen späten Films noirs wie Aldrichs „Kiss Me Deadly“sollte man denken, außerdem natürlich an die kühle Melancholie von Polanskis „Chinatown“. Eine Flut solcher Bilder und Erinnerungen löst „L-A. Confidential“aus, aber nichts davon wird durch Zitate, Anspielungen oder direkte Bezüge evoziert, nirgendwo wird geklaut oder kopiert. Regisseur Curtis Hanson plündert die Traditionen nicht, er setzt sie fort. Wahrscheinlich kommen einem angesichts von „L.A. Confidential“auch so viel andere, ältere Filme in den Sinn, weil diese James-Ellroy-Verfilmung all jene Qualitäten aufweist, die sich die heutigen amerikanischen Studioproduktionen mit ihren schlichten Formeln und simplen Konzepten nicht mehr leisten zu können glauben: sie wagt eine ungeheure Komplexität, läßt Raum für Widersprüche und Irritationen und nimmt sich viel Zeit für die Schilderung von durchweg ambivalenten Figuren. Wenn nicht alles so modern und zeitgemäß aussähe, würde man sagen: ein wunderbar altmodischer Film.“(epd-film) UT-Kinocenter, Casablanca (Ol)

Das Leben ist ein Spiel (Rien ne va plus)Frankreich/Schweiz 1997, R: Claude Chabrol, D: Michel Serrault, Isabelle Huppert, Francois Cluzet

„Rien ne va plus? Von wegen, bei Claude Chabrol geht immer mehr. Auch in seinem 50. Film zeigt der mittlerweile 67jährige Klassiker des französischen Kinos, daß er wie eh und je zu den Meistern seines Fachs zählt. Nach selbst verfaßtem Drehbuch schickt er zwei seiner Lieblingsschauspieler in ein krimikomödiantisches Fondue für Feinschmecker. Isabelle Huppert und Michel Serrault bilden das erfolgreiche Gauner-Gespann Betty und Victor, das sich mit raffinierten Trickbetrügereien das eigene Portemonaie füllt. Mit pointierten Dialogen, dreisten Wendungen und sogar einer schweißtreibenden Folterszenen zu Opernmusik würzt der Oldie but Goldie sein skurriles Jubiläumswerk um ein schrulliges Betrügerpaar, das sich in seinen Bluffs verheddert und erfahren muß, daß eine Stricknadel auch ins Auge gehen kann. Aber so ist er, unser Chabrol: Immer ein wenig durchtrieben.“(Bremer) Gondel, Cinema

Die linkshändige Frau Deutschland 1978, R: Peter Handke, D: Edith Clever, Bruno Ganz, Angela Winkler, Bernhard Wicki

"Eine Frau von Dreißig, verheiratet, ein Kind, verschafft sich Klarheit über ihre Situation und beschließt, künftig mit ihrem Kind und ohne ihren Mann zu leben. Verfilmung der gleichnamigen Erzählung durch den Autor selbst. Handkes Arbeit ist zu einem opulenten optischen Bildermahl geraten und vermag in ihrer angestrengten Kunstbeflissenheit den zentralen Gedanken der literarischen Vorlage - die Identitätskrise eines Menschen als Zeitkrankheit - kaum zu verdeutlichen.“(Lexikon des internationalen Films) Kino 46

Die Lok Deutschland 1993, R: Gerd Haag, D: Rolf Hoppe, Markus Fleicher

Abenteuerfilm für Kinder über fünf Freunde aus dem Ruhrgebiet, die eine alte Dampflok entern und mit ihr nach Sibirien abhauen. Den Zusammenstoß mit einem Sonderzug können nur der Computerfreak der Bande und ein alter Eisenbahner abwenden. Atlantis

Lolita USA 1997, R: Adrian Lyne, D: Jeremy Irons, Dominique Swain, Melanie Griffith

„Obwohl Regisseur Adrian Lyne Nabokovs Nymphen-Thema werktreu umsetzt, scheut Hollywood den Film wie der Teufel das Weihwasser. Trotz Kritkerlob will kein US-Verleih ihn in die Kinos bringen. Dabei setzt „Lolita“zu keinem Zeitpunkt auf Sensationshascherei. Die Verführungsszenen sind eher symbolische Arrangements, die verbotene Erotik entsteht vornehmlich im Kopf des Betrachters. Im Grunde genommen gibt sich diese gelungene Literaturverfilmung bis auf die Knochen moralisch. Die Pädophilie, hier eher Vergötterung als Kindesmißbrauch, wird keineswegs idealisiert. Daß Ironie und Mitgefühl für den Täter das Gut-Böse-Schema aufweichen, mag manchen überfordern. Aber daß allein die Thematisierung für derartige Aufregung sorgt, ist der wahre Skandal.“(Dorothee Lackner) UFA-Stern, Wall- & Ziegelhofkinos (Ol)

M

Meisterdetektiv Kalle Blomquist lebt gefährlich Schweden 1996, R: Göran Carmbeck, D: Malte Forsberg, Josfin Arling

„Ohne Kalle Blomquist, die tapfere Eva Lotta und den mutigen Anders kommt der Kommisar in dem Mordfall Gren nicht weiter. Ganz zeitgemäß ist der mit Geheimschrift und Holzschwertern geführte Kampf zwischen der Weißen und der Roten Rose um den Talisman „Groß-Mummrich“nicht mehr. Die Verfilmung verhält sich mit zaghaften Modernisierungsversuchen zu dem 1951 geschriebenen Buch ein wenig zu unentschlossen. Aber die Geschichten von Astrid Lindgren sind einfach packend.“(tip) Gondel

Men in black USA 1997, R: Barry Sonnenfeld, D: Tommy Lee Jones, Will Smith, Linda Fiorentino

„M.I.B. ist ein unprätentiöser Film, der im Kleinen Größe zeigt – also das genaue Gegenteil von Luc Bessons Das fünfte Element. Er läßt dem Zuschauer Zeit, die Vielfalt der Aliens zu bestaunen. In schönster B-Film-Tradition kommt M.I.B. gleich in der ersten Szene zur Sache, wenn die Grenzpolizei in New Mexico einen LKW anhält, voll mit illegalen Einwanderern – „illegal aliens“, wie es doppeldeutig im Englischen heißt, von denen einer tatsächlich ein Außerirdischer ist. Dessen Enttarnung bleibt allerdings zwei plötzlich auftauchenden M.I.B. vorbehalten, die den Grenzverletzer leider erschießen müssen. Da staunen die Grenzpolizisten nicht schlecht, aber nur solange, bis M.I.B.-Agent K. ihr Kurzzeitgedächtnis mit einem Blitz aus seinem Zauberstab löscht. Seit 1962 sind die Aliens unter uns, erfahren wir. Manhattan ist das Tor zu unserer Welt, wo fortwährend intergalaktische Flüchtlinge eintreffen. Daß die Menschheit nichts davon weiß, ist das Verdienst dieser Behörde, die jeden Neuankömmling genau unter die Lupe nimmt, Aufenthaltsbeschränkungen ausspricht und Kriminelle jagt.“(epd) Ufa-Stern

Der Morgen stirbt nie Großbritannien 1997, R: Roger Spottiswoode, D: Pierce Brosnan, Jonathan Pryce, Michelle Yeoh

Der Witz bei den Bond Filmen besteht darin, daß die immer gleichen Zutaten einerseits genau wie in den Vorgängern und dann doch anders, frischer, gewagter serviert werden müssen. Dieser beginnt mit einer Enttäuschung: Es gab noch nie solch einen schlechten Titelsong wie den von Sheryl Crow gewimmerten. Aber dafür sind die Autojagd, die waffentechnischen Spielereien und das Finale, bei dem Bond wieder in letzter Sekunde den Weltkrieg verhindern muß, hier so rasant und pfiffig inszeniert, wie schon lang nicht mehr. Sogar aus der ständigen Produkt-Werbung vom BMW konnte Regisseur Spottiswoode Kapital schlagen, und so fahren sich die Bösewichter in ihrem Mercedes ausgerechnet in ausgestreuten Daimler-Sternen die Reifen kaputt. Pierce Brosnan ist bei seinem zweiten Auftritt als 007 schon fast so ironisch, souverän und sexy wie einst der Ur-Bond Connery, und durch die Idee, aus dem Supergangster einen Medienmogul mit einem Satellitenimperium zu machen, bekommt „Der Morgen stirbt nie“gerade soviel aktuelle Relevanz, daß man fast vergißt, wie anachronistisch die Filmserie eigentlich ist. Da ein großer Teil des Films in Hamburg spielt, bekommt man in der Originalfassung als Bonus auch noch einen in fürchterlichem Deutsch radebrechenden Bond zu hören. (hip)

City, UFA-Palast, UT-Kinocenter

Mutters Courage Deutschland/Großbritannien 1995, R: Michael Verhoeven, D: George Tabori, Pauline Collins

„Wenn dieser Regisseur nur nicht soviel Angst vor Muttes Courage hätte, die die Courage und die Rettung einer einzelnen ist. Ganz alleine steht Pauline Collins als Elsa Tabori 1944 in Budapest auf dem Bahnhof. Und dann läßt Verhoeven sie mit ihrem Judenstern über den heutigen Kurfürstendamm laufen - antifa-vollkompatibel und pädagogisch wertvoll, und den bayrischen Filmpreis hat es auch schon eingebracht.“(taz) Atelier

N

Nick's Film – Lightning over Water Deutschland 1980, R: Wim Wenders, Nicolas Ray

Ein halbdokumentarischer Spielfilm über die letzten Lebenswochen des krebskranken Regisseurs Nicolas Ray, gemeinsam von ihm und seinem Verehrer Wim Wenders inszeniert. „Ein Studie über Nick Ray an der Schwelle des Todes, die so eindringlich ist, wie kaum ein anderer der wenigen Filme über das Sterben.“(Zoom) Kino 46

Nix zu verlieren USA 1997, R: Steve Oedekerk, D: Tim Robbins, Martin Lawrence, Kelly Preston

„Was passiert, wenn ein arbeitsloser schwarzer Familienvater einen weißen Geschäftsmann überfällt, den aber die Pistole gar nicht schreckt, weil ihm alles egal ist, seit er seine Frau mit einem anderen im Bett gesehen hat? Dann beginnt eine wundervolle kriminelle Freundschaft - wie die zwischen dem Schwarzen T. (Martin Lawrence) und dem Weißen Nick (Tim Robbins). Regisseur Oederkerk stürzt seine Protagonisten in ein schwungvolles Buddy-Movie mit coolem HipHop-Soundtrack, aus dem sie mit fulminantem Situations- und Wortwitz herauskommen.“(TV-Spielfilm)UT-Kinocenter, Wall- & Ziegelhofkinos (Ol)

Nowhere USA 1997, R: Gregg Araki, D: James Duval, Rachel True

„Man stelle sich vor: die Jungs und Mädels von „Beverly Hills 90210“auf LSD. Lauter attraktive junge Leute, aufgetakelt wie in einem schlechten Traum, tummeln sich in surrealen Bilderfluten. Der 18jährige Dark und seine Clique cruisen durch Los Angeles, hoffen auf Sex und eine Party, schlucken Pillen und reden einen Stakkato-Slang, der mit gängigem Englisch kaum eine Vokabel teilt. Und alle das mit der Coolness der Verzweiflung, denn sie glauben, daß es ein Morgen sowieso nicht gibt. Der Untergrundfilmer Araki zeigt auch hier wieder sein (gelegentlich nervenaufreibendes) Talent, den Aufruhr verlorener Pubertätsseelen nach außen zu kehren. Seine Filme sind so chaotisch, laut, punkig und durchgeknallt wie seine Figuren - und wenn dann tatsächlich Shannen Doherty aus „Beverly Hills 90210“an einer Bushaltstelle auftaucht, wundert sich der Zuschauer über gar nichts mehr.“(Der Spiegel) Filmstudio

P

Peter und Petra Schweden 1989, R: Agneta Elers-Jarleman, D: Joshua Petsonk, Calle Toren

„Eines Tages klopfen zwei winzige Troll-Kinder, die Geschwister Peter und Petra, an die Tür eines Klassenzimmers in einer Schule in Stockholm. Ihre Eltern haben sie geschickt, damit sie genauso „lernen“wie die großen Kinder. Gunnar freundet sich mit ihnen an und lernt bald ihr winziges Heim kennen. Ein in langsamem Rhythmus und idyllischen Bildern entwickelter Kinderfilm nach Astrid Lindgren, der auf kindgerechte, manchmal lustige, dann wieder besinnliche Weise für Toleranz und Freundschaft über die Grenzen des „Andersseins“hinaus wirbt.“(Lexikon des internationalen Films) UFA-Palast

Peter Weiss: Fluchtpunkt Malerei Deutschland 1986, R: Norbert Bunge, Christine Fischer-Defoy

„Der 44 Minuten lange Film zeigt die Entwicklung des Malers Peter Weiss, eingebunden in eine Dokumentation seines Lebensweges zwischen 1930 und 1960. Er konfrontiert diese Phase seiner künstlerischen Arbeit mit späteren literarischen Reflexionen, mit autobiographischen Aufzeichnungen und mit Auszügen aus seiner „Ästhetik des Widerstands“.“(Programmtext Kommunalkino) Kino 46

Picnic At Hanging Rock Australien 1976, R: Peter Weir, D: Rachel Roberts, Dominic Guard / Originalfassung ohne Untertitel

„Junge Mädchen in hellen Sommerkleidern, ein heiterer Tag, tuschelnde Vorfreude auf ein Abenteuer. In Mrs. Appleyards Pensionat für Töchter aus gehobenen Kreisen rüstet man sich, am Valentinstag des Jahres 1900, in der australischen Provinz, zu einem Picknick am hängenden Felsen. Eine seltsame Spannung liegt in der Luft, eine unter den Prüderien der viktorianischen Epoche, unter den hochgeschlossenen Gewändern verborgene Sexualität. Ein geheimnisvoller, ein tödlicher Traum: Am Hanging Rock, mitten am hellichten Tag, verschwinden zwei Schülerinnen und eine Lehrerin - ohne Spuren, ohne kriminelle Motive, verschluckt von einer archaischen Landschaft, die sich gegen die Eindringlinge zu wehren scheint. „Wie wenn Hitchcock ein Gedicht von Oscar Wilde verfilmt hätte“: So pries ein Kritiker den Film, der 1975 die internationale Reputation des australischen Regisseurs Peter Weir begründete. Ein Horror-Film ohne Horror, entworfen in den sanftesten Pastelltönen, begleitet von einer Pan-Flöte.“(Hans-Christoph Blumenberg) Kino 46

S

Die Salzmänner von Tibet Deutschland 1997, R: Ulrike Koch

„Wo die Luft fast zu dünn ist zum Atmen, können nur Yaks durchatmen und jene Menschen, die mit der Atemtechnik der Buddhisten vertraut sind. Die Drokpas zum Beispiel, Hirten-Nomaden im nördlichen Tibet, die sich über Generationen an das unwirtliche Klima im Himalaya-Hochland anpassen konnten. Ulrike Koch hat es unternommen, ihre Tradition zu dokumentieren, bevor die moderne Zivilisation dem Nomadenvolk die natürlichen Ressourcen streitig macht. Dabei ging es der Filmemacherin vor allem um die „Salzmänner“, jene auserwählte Schar, die Jahr für Jahr im Frühling zu den Salzseen aufbricht, um dort „weißes Gold“zu schürfen. Wer sich dieser Identität nähern will, muß sich vor allem auf den ungewohnten Rhythmus des Dokumentarfilms einlassen: Achtsam, doch ohne Aufhebens folgt er dem Wind, macht den Zuschauer erst kribbelig, bevor sich dieser der fremden Raum- und Zeitdimension ergibt und die gleichmütige Ruhe genießen kann.“(epd-film) Cinema

Scream – Der Schrei USA 1997, R: Wes Craven, D: Neve Campbell, Skeet Ulrich, Dew Barrymore

„Wes Cravens Horrorfilm ist schon jetzt legendär: für Drew Barrymores kurzen, aber lautstarken Auftritt in der Anfangssequenz, für seinen respektlosen, aber raffinierten Umgang mit dem Genre und dafür, wie er den Zuschauer zum Zuschauer eines Zuschauers im Film macht. Die Zuschauer mögen das. In amerikanischen Kinos sprechen sie bereits ganze Dialogpassagen laut mit.“(Der Spiegel) UT-Kinocenter

Siddhartha USA 1972, R: Conrad Rooks, D: Shashi Kapoor, Simi Garewal

„Ein glitzernder, spielfilmlanger Werbespot, dessen Ursprung Hesses Roman über den schönen Brahmanen ist, der sich auf die Reise begibt, um nach der Wahrheit zu suchen. Von einem Freund mit einem Babygesicht begleitet, flippt er mit den Sadhus im Wald aus, hört Buddah in seiner Höhle zu, vögelt als Silhouette mit einer reichen Kurtisane und macht als Kaufmann viel Geld. Er steigt dann wieder aus und findet die Erleuchtung als Fährmann. Wohl kaum einer wird aus dem Kino gehen ohne Hesses Botschaft begriffen zu haben, daß es keinen sicheren Weg zur Wahrheit gibt, daß suchen heißt, nicht zu finden, und daß „alles auf dem Rad des Lebens wiederkehrt“. Leider ist der Film mit so wenig Imagination gemacht, daß es unmöglich ist, die Bewußtseinsstadien nachzuvollziehen, die unser Star des Bombay-Kinos durchwandelt. Alles wird zu einem weichen, undeutlich symbolischen Spektakel; einer Liebesgeschichte in einer Landschaft, die so kitschig wirkt wie die Illustration auf einer Keksdose.“(Time Out) Atlantis

Sieben Jahre in Tibet USA 1997, R: Jean-Jaques Annaud, D: Brad Pitt

„Den Stoff, aus dem die klassischen Monumentalfilme sind, liefert die Autobiographie des österreichischen Bergsteigers Heinrich Harrer: 1943 gelingt ihm die Flucht aus britischer Kriegsgefangenschaft in Nordindien. Er schlägt sich nach Tibet durch. In der für Fremde verbotenen Stadt Lhasa gewinnt er die Freundschaft des jungen Dalai Lama. Während er dem aufgeweckten kleinen „Gottkönig“alles über die Welt jenseits des Himalaya beibringt, färbt die buddhistische Lebens- und Denkweise seiner Gastgeber auf den arroganten Egomanen Harrer ab. Jean-Jaques Annaud läßt den „Mythos Tibet“in prachtvollen Bildern lebendig werden, ohne uns eine süßliche Religionsstunde zuzumuten. Alle Details sind penibel recherchiert, der Dalai Lama selbst stand mit Rat und Tat zur Seite, seine Schwester spielt im Film seine Mutter. Annaud schickte Brad Pitt vor dem Dreh für drei Wochen nch Österreich, nicht nur zum Bergsteigertraining. „Er sollte ein Gefühl dafür bekommen, einen Österreicher zu spielen.“Hat geklappt - selten war der Star so gut wie hier.“(TV-Spielfilm) City, Wall- & Ziegelhofkinos (Ol)

Sirga, die Löwin Frankreich 1996, R: Patrick Grandperret, D: Marthuin Sinze, Salif Keita

"Eine Geschichte zwischen Realität und Märchen: Im afrikanischen Busch werden gleichzeitig ein Löwen- und ein Menschenbaby geboren; es dauert nicht lange, und ihre Wege kreuzen sich. Ihre innige Freundschaft beobachten die Dorfbewohner mit großer Selbstverständlichkeit, denn sie leben in einer Art Symbiose mit den Löwen. Wie zufällig fängt die Kamera in sehr authentischen Bildern etwa den Kampf der beiden gegen Elefanten ein. Auch in der ersten Sequenz zwischen Löwen- und Menschenbaby verblüfft das zwanglose, zufällig eingefangene Spiel der beiden. Bilder der afrikanischen Steppe und des dichten Urwaldes, die Lebensgewohnheiten des Stammes, zeigen uns ein fremdes Land und entführen in eine fremde Kultur. Die Kamera ist ganz nah dabei, da ist nichts getrickst oder einstudiert.“(epd-film) Schauburg, Casablanca (Ol)

Sling Blade USA 1996, R: Billy Bob Thorton, D: Billy Bob Thorton, Lucas Black

„Der merkwürdige, zart und eigenwillig erzählte Bildungsroman des fast 40jährigen Kindskopfes Karl Childers schildert die Gutwilligkeit der Leute, die dem ungeselligen Gesellen ins Leben zu helfen versuchen; er führt vor, daß auch der Dümmste nicht in Frieden leben kann, wenn es dem Nachbarn nicht gefällt; und er zeigt unheimlich suggestiv, wie aus Gewalt Gewalt entsteht. „Sling Blade“ist ein Märchen, und es erzählt, wie man dem Bösen, wenn es sein Haupt erhebt, mit der Siegesgewißheit eines Kindes entgegentreten kann.“(Der Spiegel) Ein zutiefst ergreifender, zwingend sehenswerter Film! Gondel

Spiceworld – der Film Großbritannien 1997, R: Bob Spiers, D: Spice Girls, Richard E. Grant

„1997 wird als das Jahr in die Geschichte eingehen, in dem die Spice Girls über uns kamen. Selbst wer ihre Musik konsequent mied, traf spätestens im Supermarkt auf die penetranten Gewürzgirlies: In Form von Spice-Girls-Parfüm, Spice-Girls-Puppen, Spice-Girls-Kuchen, Spice-Girls-Chips usw, usw. Jetzt droht auch noch der Film. Im Branchenjargon nennt man das Produktdifferenzierung. Nur schmeckt die vorgeblich scharfe Girl Power so fade wie abgestandene Kartoffelchips: Mehr ein Blondinenwitz im Fünferpack als Revolution in Barbie-World. Ein bißchen Beatles-Klamotte, ein wenig Bond-Ästhetik, mit Seitenhieb auf machtgeile Medienmogule und die Paparazzi-Pest sowie Persiflageszenen auf Hollywoodfilmen wie „Speed“und „Mission Impossible“- das sind die wichtigsten Elemente des dünnen Drehbuchs. Als Appetizer für die kommende Europatournee kann man das lärmende Musikvideo im Spielfilmformat wirklich nur hartgesottenen Spice-Girls-Fans empfehlen.“(taz) City, UFA-Palast

T

Tango Lesson Großbritannien 1997, R: Sally Potter, D: Sally Potter, Pablo Veron

„Eine englische Filmregisseurin und ein argentinischer Tangotänzer verlieben sich und treffen ein Abkommen: Er lehrt sie tanzen, sie macht aus ihm einen Filmstar. Die Erfüllung dieses Abkommens führt zu Differenzen, und die beiden müssen lernen, ihre Rollen als Mann und Frau zu sprengen, damit ihre Liebe Bestand hat. Sally Potters formal ungewöhnlicher, innovativer Film schildert in dichten Metaphern den Prozeß einer Auseinandersetzung zwischen zwei Individuen jüdischer Herkunft und reflektiert tiefgründig über Liebe, Tanz, Film und die menschliche Existenz.“(Zoom) Cinema, Filmstudio

The Odd One Dies Hongkong 1997, R: Patrick Yau, D: Carman Lee, Kaneshiro Takeshi / Originalfassung mit englischen Untertiteln

„Kaneshiro Takeshi (“Fallen Angels“) spielt einen wortkargen Schmalspur-Gauner, der einen riskanten Mordauftrag aus finanziellen Gründen annehmen muß. Seine Zusammenarbeit mit der verwahrlosten Carmen, für die Mord zum festen Repertoire gehört, nimmt eine überraschende Wendung, als ihre nahezu ausschließlich über Gewalt kommunizierende Zweckgemeinschaft umkippt und sich beide zu physischem Kontakt hinreißen lassen. Regisseur Patrick Lau balanciert geschickt Elemente des klassischen Actionkinos und des stilisierten Neorealismus eines Wong Kar-Wai aus. Heraus kommt ein wilder Bastard aus schräger Komödie, fatalistischer Gangsterballade und surrealer Lovestory, wie ihn nur Honkong-Chinesen erfinden können.“(Katalog zum Fantasy Filmfest) Kino 46

Titanic USA 1997, R: James Cameron, D: Leonardo DiCaprio, Kate Winslet

„Nicht Cameron hat ein Thema gefunden, sondern das Thema ihn. Dem Drehbuchautor und Regisseur kommt es dabei nicht auf Symbole und Metaphern an. Er sucht das private Drama in der Kollision zwischen menschlicher Hybris und der von aller technischen Raffinesse unbeeindruckten Natur. So besitzt dieser Actionfilm durchaus Züge eines Kammerspiels, die den Fluß der Katastrophe immer wieder auf produktive Weise hemmen - im Dienste einer großen, altmodisch erzählten Love-story. Camerons „Titanic“ist eine suggestive Zeitreise, eine Reise auch in eine betonierte Klassengesellschaft. Den Gegensatz zwischen oben und unten, Erster und Dritter Klasse, läßt Cameron ausspielen: maliziöser Snobismus und aufgeräumtes Palaver hier, trunkener Tanz und schwitziges Armdrücken dort. Den Bildern ist keine explosive Kraft, eher eine implodierend Qualität eigen. Hierin liegt die Überraschung des Films - und sein ästhetischer Reiz. Als hätte ihm das Pathos des Themas Ehrfurcht vor der Historie aufgenötigt, läuft Camerons Special-Effect-Maschine wie gedrosselt. Die Katastrophe spiegelt sich am wirkungsvollsten in den Gesichtern der Opfer und in poetischen Bildfindungen. Leichen auf dem Wasser erscheinen als Stilleben der Vergänglichkeit.“(epd-Film) Europa, UFA-Palast, UT-Kinocenter

U

Der Unhold Deutschland/Frankreich/Großbritannien 1996, R: Volker Schlöndorff, D: John Malkovich, Rolf Hoppe, Marianne Sägebrecht

Malkovich gibt dem seltsamen Filmhelden, der sich wie eine Märchenfigur, wie der Erlkönig, durch das deutsche dritte Reich bewegt, genau die richtige Mischung aus Unschuld, Bosheit und unmenschlicher Stärke, durch die der Film wie eine Mischung aus Mythos und Geschichte erscheint. Schöndorff, der endgültig an das immer pedantische und nie originelle Kunsthandwerk der Literaturverfilmungen verloren schien, hat in dem Roman von Michel Tournier wieder ein Inspiration gefunden, die den „Unhold“in Stil und Dimension an „Die Blechtrommel“anschließen läßt. (hip) Gondel

W

Western Frankreich 1997, R: Manuel Poirier, D: Sergi Lopez, Sacha Bourdo

„Manuel Poirier gelang mit „Western“ein anrührendes, verlangsamtes Buddy-Movie: An der bretonischen Küste legen ein katalanischer Vertreter und ein russisch-italienischer Arbeitsloser innerhalb von drei Wochen gerade einmal 15 Kilometer zurück. Die kleinen Affären und die große Liebe der beiden gipfeln immer wieder in hinreißender Komik. Poiriers präziser Blick auf alltägliche Details, bereits gefeiert in kleinen Arbeiten wie „Antonias Freundin“, erobert sich hier erstmals epische Zeitmaße.“(Der Standard) Cinema, Casablanca (Ol)

Wieder allein zu Haus USA 1997, R: Raja Gosnell, D: Alex D. Linz, Olek Krupa, Rya Kihlstedt

„Nicht mehr der originale Kevin, sondern der Frechdachs Alex ist diesmal allein zu Haus. Und gleich vier Gegner sehen sich seinen ausgefuchsten Attacken mit Murmeln, Spielzeugrobotern und Leim ausgesetzt. Beinahe verspürt man gar Mitleid mit den internationalen Top-Gangstern, die trotz ihrer High-Tech-Ausrüstung noch mehr Verbrennungen und Erfrierungen, Schrammen und Beulen einstecken müssen als ihre Vorgänger.“(tip) UT-Kinocenter, Passage (Del)

Winterschläfer Deutschland 1997, R: Tom Tykwer, D: Ulrich Matthes, Marie-Lou Sellem, Florianne Daniel

„Von der Unmöglichkeit der Liebe handeln seine Filme, sagt Regisseur Tom Tykwer. Hier sind es gleich fünf Menschen, deren Schicksale er auf eine Weise miteinander verknüpft, die in ihrer geschickten Konstruktion mitunter an Robert Altmans „Short Cuts“erinnert. Krankenschwester Laura, die Übersetzerin Rebecca, Skilehrer Marco, Filmvorführer Rene und der Bauer Theo leben in einer kleinen Stadt in den Bergen. Ein mysteriöser Autounfall bringt das folgenreiche Personenkarussel in Gang. Unterstützt von brillanten Darstellern gelingt Tykwer das Kunststück, intellektuelles europäisches „Kopfkino“mit sinnlicher Emotionalität zu verbinden. Ein kleines Kunstwerk, in ruhigen, eleganten Bildern inszeniert.“(TV-Spielfilm) Atlantis

Z

Zeit der Schmetterlinge CSFR 1990, R: Bretislav Pojar

„Der kleine Janek lebt beim Großvater in einer tschechischen Kleinstadt. Janeks Vater ist selten zu Hause, aber er schickt seinem Sohn ein Packet mit geheimnisvollem Inhalt: Schmetterlingspuppen. Kurze Zeit später schlüpfen die Schmetterlinge und die größte Puppe verwandelt sich in die Fee Urugu. Sie hat magische Kräfte und verwandelt Janeks alltägliche Welt. Ein poetischer Film für jüngere Kinder, mit einer meisterhaften Montage von Realfilm und Puppenanimation.“(Programmtext Kommunalkino) Kino 46

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen