: Mit Spitzeln Steuer eintreiben
■ Finanzpolitiker befürworten Spitzeldienste, wenn Steuerhinterzieher Schäden verursachen
Freiburg (taz) – Mit Spannung beobachtet ein unbekannter Mann aus Lothringen derzeit die deutsche Innenpolitik. Vor einigen Wochen hatte der Franzose der saarländischen Steuerverwaltung eine Liste mit 270 deutschen Schwarzgeldkonten in Luxemburg zum Kauf angeboten – für 500.000 Mark. Die Chancen, daß er zum schnellen Geld kommt, sind jetzt deutlich gestiegen.
Vertreter von Bund und Ländern kamen gestern in Bonn bei einem Brainstorming zu dem Schluß, daß man die moralischen Bedenken gegen solche Spitzelprämien nicht allzuhoch hängen sollte. Lediglich zwei konkrete Einschränkungen wurden formuliert. Zum einen dürften die Informationen nicht durch eine Straftat erlangt worden sein. Zum anderen sollen Informationshonorare nur dann gezahlt werden, wenn es um „Fälle besonderer krimineller Energie mit hoher Schädigung für den Staat“ geht.
Die Finanz-Staatssekretäre des Bundes und der beiden SPD-regierten Länder Saarland und Rheinland-Pfalz wollen ihre Überlegungen bei der Finanzministerkonferenz am 22. Januar vorstellen. Sie hoffen auf eine ländereinheitliche Vorgehensweise. Das Saarland und Rheinland-Pfalz waren als erste Länder betroffen, weil der Super-Informant „zur Probe“ schon mal drei deutsche Steuerflüchtlinge verpetzte.
Offensichtlich haben die Staatssekretäre Blut geleckt. Sie betonten gestern, daß die Bezahlung von Informanten „nichts Außergewöhnliches“ sei – jedenfalls im Bereich der normalen Strafverfolgung. Dort gebe es sogar eine (geheime) Verwaltungsvorschrift über die „Bezahlung von V-Personen und Informanten“. Im Bereich des Steuerstrafrechts war derartiges bisher allerdings verpönt. Hier belohnte man eher die reuigen Sünder, die nach einer Selbstanzeige von der Strafverfolgung verschont bleiben.
Dennoch könnte im Falle des Mannes aus Lothringen Neuland betreten werden. Denn seine Forderung nach einer halben Million Mark sprengt die Dimensionen bisher bezahlter Beträge bei weitem. Laut taz-Quellen bekommen polizeiliche V-Leute allenfalls Summen „im dreistelligen Bereich“. Lobt der Staat größere Summen aus, stammen die eher von Versicherungen.
Dennoch könnte es sich für den Fiskus rechnen, auf die Forderung des Lothringers einzugehen. Nach seinen Angaben liegen auf den Konten der 270 Steuerhinterzieher jeweils mehr als 300.000 Mark, zusammen also mindestens 81 Millionen Mark. Zwar betonten die Staatssekretäre gestern treuherzig, es dürften „keine Anreize zur Förderung des Denunziantentums gegeben werden“. Was das konkret heißen soll, blieb unklar. So war gestern plötzlich auch keine Rede mehr davon, daß etwa Prämien für Hinweise verlassener Ehefrauen tabu sein sollen.
Setzt sich die Vorbereitungsgruppe der Finanzpolitiker durch, müßte noch geklärt werden, was es heißt, daß die Informationen „nicht durch eine Straftat erlangt worden“ sein dürfen. Ist hiermit nur das deutsche Strafrecht gemeint, oder dasjenige Luxemburgs? Die Frage ist deshalb entscheidend, weil im Luxemburger Recht (anders als in Deutschland) Verstöße gegen das Bankgeheimnis strafrechtlich geahndet werden. Und die Quellen des Lothringers werden in Luxemburger Bankkreisen vermutet. Christian Rath
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