Die wahren Konservativen

■ Bildungskongreß: Warum der Studentenprotest scheiterte

Die StudentInnen sind sauer. Sie ärgern sich über Politiker und Journalisten, die ihren Protest auf die Forderung nach „mehr Geld“ reduziert und ihre politischen Absichten verkannt hätten. Auf ihrem Kongreß in Berlin wollten sie die Öffentlichkeit eines Besseren belehren. Sie debattierten die Grundfragen von Staat und Gesellschaft, Macht und Moral. Doch sie sind gescheitert: Nicht einmal auf ein gemeinsames Abschlußdokument konnten sie sich gestern einigen.

Zur Zukunft der Universitäten fällt den meisten StudentInnen wenig Neues ein. Zwar möchten sie mehr Einfluß in den Uni-Gremien. Was sie mit damit verändern wollen, wissen sie aber auch nicht. In der bildungspolitischen Debatte sind sie die Konservativen. Alles soll so bleiben, wie es ist: Keine Gebühren, keine neuen Kurzstudiengänge, keine stärkere Berufsorientierung, keine finanzielle Abhängigkeit von der Wirtschaft, keine Abkehr von der Einheit von Forschung und Lehre.

Auf den ersten Blick erscheint diese Haltung gar nicht unvernünftig. Ist ein schlechtes Studium für alle nicht immer noch besser als ein Elitestudium für wenige? Vermittelt nicht ein Grundlagenstudium à la Humboldt nicht mehr Flexibilität für den Arbeitsmarkt als die enge Vorbereitung auf einen Beruf, den es womöglich bald nicht mehr gibt? Ist es nicht überhaupt die beste Qualifikation, sich durch das Chaos der Unis gekämpft zu haben?

Die Argumente wären alle richtig, wenn es noch genug Geld gäbe. In der jetzigen Lage aber ist es den Finanzministern gar nicht zu verdenken, daß sie nicht noch mehr Milliarden in einem System der organisierten Verantwortungslosigkeit versenken wollen. Die deutsche Universität leidet an einem Mangel an Verbindlichkeit. Sie leidet an Professoren, die für ihre StudentInnen pro Woche ganze 60 Minuten Sprechzeit übrig haben, an einer Verwaltung, die StudentInnen eher als lästige „Fälle“ denn als KundInnen sieht – und sie leidet eben auch an StudentInnen, die sich ihrer eigenen Verantwortung für dieses System nicht stellen.

Natürlich wäre es zuviel verlangt, von einem Kongreß die Lösung aller Probleme zu erwarten. Doch eine Verweigerungshaltung bringt die Uni-Reform ebensowenig weiter wie der Ruf nach einer anderen Gesellschaft. Daß ihr Protest so wenig bewirkt hat, haben sich die StudentInnen zu einem guten Teil selbst zuzuschreiben. Ralph Bollmann Bericht Seite 7