piwik no script img

Revolutionäre Käfer und Läuse

■ ALASKA, Zeitschrift des Bundeskongresses entwicklungspolitischer Aktionsgruppen, kämpft mit verändertem Konzept, Layout und Namen für ein neues Internationalismusverständnis

Die Anfänge waren ziemlich trist und grau. Aber der Inhalt war wichtig. So wichtig, daß jede optische Rücksichtnahme auf gute Lesbarkeit als unwürdige Konzession an jenes berüchtigte spießbürgerliche Selbstverständnis „Form ist ebenso wichtig wie Inhalt“gegolten hätte. Und heute?

Ein revolutionärer mexikanischer Käfer, der im Pelz der neuen linken Ikone Subcommandante Marcos hockt, und die philosophierende Bremer Blattlaus 'Alaska' krabbeln unter dem neuerdings bunten Deckblatt durch das Heft, erzählen sich im Vorwort regelmäßig vom Aufstand der Zapatisten gegen den Neoliberalismus und den Widerstand ausgebeuteter Insekten gegen mangelhaft gegossene Grünpflanzen. Das ist neu, dieses Herz für Kleintiere, diese Sensibilität für die mikroskopischsten Sphären und Biotope unseres Universums. Denn am Anfang, in jener grauen Vorzeit im Januar 1978, galt die Aufmerksamkeit der Zeitschrift „ALASKA“ungeteilt den Ausgebeuteten in den fernen Gebieten dieses riesigen Erdballs.

Damals hieß das Blatt allerdings noch „FORUM entwicklungspolitischer Aktionsgruppen in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin“– ein Name, der allein die Hälfte der Titelseite einnahm, auf der ansonsten das Inhaltsverzeichnis, Karikaturen und Gedichte die Mitglieder des Bundeskongresses entwicklungspolitischer Aktionsgruppen (BUKO) zur Lektüre animieren sollte. Diese Zeiten sind endgültig vorbei. Nach Kiel, Neuss und Münster ist Bremen seit 1989 Redaktionssitz, und seit Mai 1997 – Heft 211 – sorgen ein verändertes Layout, ein neues Konzept und der neue Name für frische Windböen von links in den ebenfalls neuen Redaktionsräumen Auf der Kuhlen 22.

Den kapitalistischen Weltmarkt bekämpfen, die Verlogenheit der Enwicklungshilfezahlungen anprangern, Befreiungsbewegungen unterstützen und Rüstungsexporte kritisieren – derart hehren Zielen diente vor 20 Jahren die FORUM-Gründung. Der Weltmarkt ist im globalisierten Zeitalter brutaler als je zuvor, Entwicklungshilfe dient weiterhin der Förderung der Exportchancen deutscher Unternehmen, und Rüstungsexporte haben, im Gegensatz zu Befreiungsbewegungen, an Bedeutung nicht verloren: Nur die Linke ist – auch angesichts der deprimierenden Konstanz der Gegner – nicht mehr wiederzuerkennen. „Die linke Basis von einst ist schlicht und einfach weggebrochen“, blickt ALASKA-Redakteurin Claudia Bernhard illusionslos zurück, „und das ist auch an unserer Zeitschrift nicht spurlos vorüber gegangen.“Ursprünglich als Rundbrief konzipiert, der die Terminkoordination und Kommunikation zwischen den BUKO-Mitgliedern erleichtern sollte und daher von diesen inhaltlich getragen wurde, hat sich FORUM auf ihrem Weg ins kühle ALASKA von diesem Konzept weitgehend verabschiedet.

Eine sechsköpfige autonome Redaktion kümmert sich heute darum, daß im Zweimonatsrhythmus ein professionell gemachtes Blatt erscheint, das seine Funktion als BUKO-Rundbrief stark in den Hintergrund gedrängt hat. Auf der Titelseite fehlt der Verweis auf den BUKO mittlerweile ganz, und auch der neue Untertitel „Zeitschrift für Internationalismus“deutet an, daß das neue Konzept mit einer Abnabelung vom alten Image einer klassischen Verbandszeitung einher- geht. „Wie ist Widerstand Ende der 90er Jahre neu zu definieren? Wie können wir autonome Lebensräume schaffen? Wie sind staatliche Strukturen zu unterlaufen, kann man sich ihrem Zugriff entziehen?“Das sind, sagt Bernhard, die Fragen, an deren Beantwortung ALASKA in jeder Ausgabe mit einem Themenschwerpunkt arbeitet. Als „Neubestimmung linker Politik und sogenannter 3. Welt-Arbeit unter veränderten Bedingungen“bezeichnet die Redakteurin Iris Bockermann dieses Selbstverständnis. Kein einfaches Unterfangen, schließlich bewegt sich die verunsicherte Linke seit längerem sowohl theoretisch als auch praktisch auf schwankendem Boden. Weder von Seiten der momentan dominierenden Politikberatungsfraktion im BUKO, die nach wie vor an die Möglichkeit der reformerischen Zähmung des Kapitalismus glaubt, noch von den altlinken Romantikern, die ungebrochen an linke Ideen der 60er und 70er Jahre anknüpfen wollen, erfährt das ALASKA-Projekt Zustimmung. Aber auf die Auflage von 1.000 Exemplaren hat die Neuausrichtung keine Auswirkungen gehabt, was die Redaktion stillschweigend als programmatische Zustimmung der Mehrheit interpretiert. Daß das Faltblatt, mit dem ALASKA abonniert werden kann, vermerkt, mit der zweiten Unterschrift habe man zur Kenntnis genommen, daß die Kündigung innerhalb von zehn Tagen widerrufen werden kann, ist somit eher als Indiz für die anfängliche Unsicherheit zu lesen, mit dem die ALASKA-Redaktion den eigenen Relaunch wohl einst betrachtet hat. zott

ALASKA erscheint sechsmal jährlich und ist über ausgewählte Buchhandlungen, Infoläden oder direkt über die Redaktion ( u. Fax 72034, auch als Probeheft) zu beziehen. Das Einzelheft kostet 8 DM, das Jahresabo 48 DM.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen