: Frauenarzt soll sich an Patientinnen vergangen haben
■ Seit gestern wird gegen den Gynäkologen verhandelt. Der Mann weist alle Vorwürfe zurück
Kaufbeuren (taz) – Der Fall sorgt seit anderthalb Jahren in der betulichen Allgäuer Stadt für Aufsehen. Ein bekannter Frauenarzt muß sich seit gestern wegen einer Serie von Mißbrauchsfällen an Jugendlichen und Kindern vor Gericht verantworten. Der 47jährige Mediziner durfte bislang weiterpraktizieren, was zusätzlich für erheblichen Wirbel sorgte.
Erst im November, nachdem öffentlich bekannt wurde, daß er nach wie vor auch zum gynäkologischen Notdienst eingeteilt wurde, reagierte die Kassenärztliche Vereinigung Schwaben und zog den Gynäkologen aus dem Notdienst zurück. Am ersten Verhandlungstag wies der Angeklagte alle Vorwürfe des sexuellen Mißbrauchs von Kindern und Jugendlichen zurück und sprach von einem „hanebüchenden Unsinn“ und einer „ungeheuren Schmutzkampagne“.
Auf Nachfragen des Staatsanwalts wollte er sich freilich nicht konkreter zu den Umständen äußern, wie er zum Vorwurf der „Schmutzkampagne“ komme. Dies würde – so sein Verteidiger – gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt des Verfahrens näher erläutert.
Den Patientinnen warf der Angeklagte mangelnde Hygiene im Intimbereich vor und daß sie notwendige Behandlungsweisen mit Phantasien und Projektionen verknüpft hätten. Im Verfahren wurden die Behandlungen in allen Details geschildert. Der vom Gericht geladene medizinische Sachverständige Harald Sommer von der Frauenklinik der Uni München merkte an, daß er in seiner 27jährigen Praxis nicht annähernd ähnliche Erfahrungen gemacht habe, was die angeblich mangelnde Hygiene anbelangt.
Es hatten sich nach Bekanntwerden der Vorwürfe weit mehr Frauen gemeldet, als jetzt Fälle angeklagt sind. Für das Verfahren habe man sich aber auf die genannten Fälle beschränkt, sagte Oberstaatsanwalt Meltendorf. Zwei Ärzte einer Kaufbeurer Praxisgemeinschaft hatten sich damals genötigt gesehen, in der Lokalzeitung ein Inserat zu schalten, in dem es heißt: „Aus gegebenem Anlaß weisen wir darauf hin, daß zwischen uns und dem gleichnamigen Frauenarzt in Neugablonz keinerlei verwandtschaftl. Verbindung besteht.“
Der Anwalt des betroffenen Arztes hatte gegen den Lokalreporter Bertram Maria Keller und den Kreisboten-Verlag nach einer Veröffentlichung, in der eine Betroffene zu Wort kam und in der der Name des Arztes nicht genannt wurde, eine Anzeige wegen Beleidigung erhoben. „Das Verfahren wurde allerdings eingestellt“, sagte der Reporter.
Der Prozeß gegen den Frauenarzt ist auf acht Verhandlungstage angesetzt. Klaus Wittmann
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