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Mit Martin Luther gegen das Euro-Unheil

Begleitet von einmaligem Medienrummel legten gestern vier Professoren Verfassungsbeschwerde gegen den Euro ein. Die frühe Einführung bringe „Unheil“. Die Argumentation umfaßt mehrere hundert Seiten  ■ Aus Karlsruhe Christian Rath

Es war der vielleicht kurioseste „historische Augenblick“ dieses Jahres. Begleitet von acht Kamerateams aus dem In- und Ausland überreichten gestern vier Professoren dem Pförtner des Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungsbeschwerde gegen die Einführung des Euro. Das gigantische Medieninteresse kann wohl nur damit erklärt werden, daß die Politik derzeit voll auf Euro-Linie liegt und das Verfassungsgericht die letzte Hoffnung der Euro-Skeptiker darstellt.

„Tue, was du schuldig bist zu tun, in deinem Berufe.“ Unter dieses Luther-Wort stellten die drei Ökonomen Wilhelm Hankel, Joachim Starbatty und Wilhelm Nölling sowie der Jurist Karl Albrecht Schachtschneider ihre 352seitige Verfassungsbeschwerde gegen das Europa-Geld. Die Klageschrift selbst wurde Journalisten gestern allerdings vorenthalten – aus Copyright-Gründen, denn sie soll Mitte Februar im Rowohlt-Verlag als Taschenbuch erscheinen.

Bis dahin darf sich also auch nach dem Willen der Professoren das Verfassungsgericht gerne Zeit lassen. Dann aber soll es ganz schnell gehen. Denn noch vor dem ersten Maiwochenende, wenn ein Gipfel der EU-Regierungsschefs die Teilnehmer der Währungsunion endgültig festlegt, soll Karlsruhe den Euro vorläufig stoppen. Das haben Schachtschneider und die anderen in einem parallel angestrengten Eilverfahren beantragt. „Dann ist der Euro politisch erst mal tot“, hofft Schachtschneider, „denn dann müßte das ganze Projekt neu ausgehandelt werden.“ Wenn alles mit rechten Dingen zugeht, wird es allerdings kaum soweit kommen. Denn selten ist eine brisante Verfassungsbeschwerde so offensichtlich unzulässig gewesen wie diese. Weil man nicht bis Mai warten wollte, wendet sie sich nämlich nicht gegen einen bestimmten Hoheitsakt, sondern ganz schwammig gegen die „deutsche Währungspolitik“. Auch können die Kläger nicht geltend machen, daß sie durch den Euro konkret in Grundrechten verletzt werden. So schützt das Eigentumsrecht (jedenfalls nach bisheriger Rechtsprechung) gerade nicht vor Inflationsgefahren.

Schachtschneider weiß das und hat daher eine „kunstvolle“ Konstruktion entwickelt, wonach jeder Bürger kraft seines Wahlrechts jede möglicherweise rechtswidrige staatliche Entscheidung mit der Verfassungsbeschwerde anfechten könne. So etwas vertritt bisher allerdings nur Schachtschneider selbst.

Allerdings ist das Verfassungsgericht, wenn es um Europapolitik geht, unberechenbar. Als Schachtschneider 1993 gegen den Maastrichter Vertrag klagte, war diese Verfassungsbeschwerde genauso unzulässig. Dennoch brannte damals das Gericht so sehr darauf, der Republik seine Rechtsauffassung mitzuteilen, daß es die Klage völlig überraschend doch für zulässig erklärte. Im Endeffekt wurde dann zwar der Maastrichter Vertrag bestätigt, dabei aber klargestellt, daß nur eine strikte „Stabilitätsgemeinschaft“ akzeptabel sei.

Diesmal müßten die Roten Roben noch weiter gehen. Sie müßten den Willen haben, sich bewußt an die Stelle der Politik zu setzen. Das wäre zwar ein kleiner Putsch, Schachtschneider hofft aber auch diesmal auf den Geltungsdrang der Verfassungsrichter.

Beeindrucken will er sie und die Öffentlichkeit vor allem mit einem 170seitigen ökonomischen Teilgutachten seiner drei Mitkläger. Dort wird aufgezeigt, warum nach Meinung der „Viererbande“ eine verfrühte Einführung des Euro „Unheil“ bringen werde. Die Haushaltsbedingungen für die EU-Währung seien nämlich nicht wirklich und „nachhaltig“ erfüllt worden, sondern nur mittels „kreativer“ Buchführung. Als Folge einer Währungsunion prophezeite deshalb Wilhelm Hankel „hohe Zinsen, Arbeitslosigkeit und Streit unter den Europäern“.

All ihrer Kritik zum Trotz wollen die vier Professoren nicht als Anti-Europäer dastehen. So hatten sie kurz vor dem Jahreswechsel noch einen Verein gegründet. Sein Name: „Pro Europa – Verein zur Förderung der Integration in Europa“.

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