Schröders Landesbilanz läßt den Wähler kalt

■ Die Ergebnisse der Schröderschen Politik fallen verheerend aus. Trotzdem sind seine Chancen bei der Niedersachsenwahl gut. Denn das Interesse der Wähler gilt der SPD-Kandidatenfrage

Hannover (taz) – „Deutscher Meister bei neuen Jobs“ oder etwa auch „Die Klassen sind kleiner als in Bayern“ – solche Schlagworte sind auf den drei Wahlplakaten zu lesen, mit denen die niedersächsische SPD ihren Spitzenmann Gerhard Schröder seit der vergangenen Woche groß herausstellt. Auf SPD-innovativ-blauem Hintergrund sind die drei Slogans „Bewegen“, „Sichern“ und „Lenken“ jeweils gleich mit einer ganzen Reihe von Schröderfotos bebildert.

Nahe der hannoverschen Universität ist die Plakatserie bereits verunstaltet: Zettel mit der Aufschrift „...und Lügen“ haben Unbekannte auf die Schröder-Homage geklebt.

Denn auf den drei Großplakaten findet auch die Bilanz der Schröderschen Regierungspolitik statt, um die sich der Ministerpräsident bisher gedrückt hat. Statt dessen finden sich nun auf den drei Schröder-Plakaten jeweils vier oder fünf kurze Sätze, die dieses Manko zumindest etwas wettmachen sollen. Das Automann-Plakat mit den Slogan „Lenken“ weist etwa auf Volkswagen hin, wo mit der Einführung der 4-Tage-Woche „die Arbeit gerecht verteilt“ wurde. Behauptet wird auch, das Niedersachsen „beim Wachstum vorm Feld“ liege und eben „Deutscher Meister bei neuen Jobs“ sei.

Die amtliche Arbeitsmarktstatistik wies zum Jahresende für Niedersachsen allerdings eine Arbeitslosenquote von 13,2 Prozent aus. Von den Westdeutschen Flächenländern steht nur das Saarland mit 13,5 Prozent derzeit noch schlechter da. Das Wirtschaftsministerium in Hannover bringt dagegen eine niedersächsische Job- meisterschaft ins Spiel. Zwischen September 1990 und September 1997 sei die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um 1,5 Prozent oder 34.400 gestiegen. Allerdings könnte auch diese Statistik allenfalls den Titel des Jobvizemeisters belegen. Denn im gleichen Zeitraum hat zumindest Schleswig-Holstein nach Angaben des Ministeriumssprechers prozentual höhere Jobzuwächse verzeichnet.

Zur Freude der Grünen muß Gerhard Schröder, um überhaupt noch für Niedersachsen positive Arbeitsmarkt- oder Wachstumsdaten zu propagieren, stets den Zeitraum 1990 bis 1994 mit einbeziehen. Da war er noch Chef einer rot-grünen Koalition. 60.000 zusätzliche Arbeitsplätze sind im rot- grün regierten Niedersachsen zwischen 1990 und 1994 entstanden, auch weil es überdurchschnittlich von der Vereinigungskonjunktur profitierte und nach Schleswig- Holstein seinerzeit die höchste Zuwanderung verzeichnete. 26.000 dieser neuen Jobs sind seit 1994, seit Schröder mit einer absoluten SPD-Mehrheit in Hannover regiert, wieder verlorengegangen. Mit dem Restzuwachs aus rot-grüner Zeit von 34.000 bestreitet die SPD nun ihre Plakatwerbung.

Als Schröder 1990 mit Unterstützung der Grünen erstmals zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, lag die Arbeitslosenquote in dem traditionell strukturschwachen Land um 2,2 Prozentpunkte über dem westdeutschen Schnitt, bis 1994 schrumpfte dieser Abstand auf 1,5 und ist unter Schröders SPD-Alleinherrschaft bis Ende 1997 wieder auf 2,1 Prozentpunkte angewachsen.

„An Bildung wird nicht gespart“ ist auf einem der drei Schröderplakate zu lesen. Wenn man diesen Satz nicht als Versprechen auffaßt, sich künftig zu bessern, ist er schlichte Wählertäuschung. Natürlich hat die SPD-Alleinregierung auch im Bildungsbereich den Rotstift angesetzt. An den Schulen wurden trotz steigender Schülerzahlen 2.200 Lehrerstellen gestrichen.

Die letzten vier Jahre Landespolitik standen überhaupt ganz im Zeichen von Einsparungen und Stellenabbau. Real, um die Inflationsrate bereinigt, sind die Ausgaben des Landes in den letzten vier Jahren um gut drei Prozent gesunken.

Schon vor Jahren hatte Schröder intern die Parole ausgegeben: „Landespolitik darf stattfinden, aber sie darf meine bundespolitischen Pläne nicht behindern.“ Diese Rechnung scheint aufzugehen. In Umfragen sind nur ein gutes Drittel der niedersächsischen Wähler mit den Ergebnissen der Landespolitik zufrieden. Dennoch: Nach allen Umfragen könnte der SPD-Politiker am 1. März sein 44,3-Prozent-Ergebnis von 1994 verbessern oder zumindest halten. Da mögen Grüne und CDU noch sehr auf Schröders katastrophaler Bilanz insistieren – auch der Wähler interessiert sich bisher mehr für die SPD-Kandidatenfrage als für die reale Politik des niedersächsischen Ministerpräsidenten. Jürgen Voges