: Rechte spenden Trost
■ Die Einwohner von Gollwitz wollten keine Juden. Bürgermeister greift Ignatz Bubis an
Berlin (taz) – Die Bürger im brandenburgischen Gollwitz finden keine Ruhe. Dafür aber neue Mitstreiter im Kampf gegen die „drohende Überfremdung“ ihres Dorfes. Die rechtsgerichtete Junge Freiheit (JF) druckte kürzlich eine „Erklärung“ des Gollwitzer Bürgermeisters Andreas Heldt ab. Darin greift dieser den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland an. „Herr Bubis“, so heißt es, müsse sich „für die von ihm losgetretene Hetz- und Haßkampagne gegen uns“ und für „die unüberlegte, offensichtlich nach dem Gesetz des geringsten Widerstandes gefällte Entscheidung entschuldigen“.
Eine „Hetzkampagne“ hat es vergangenen September tatsächlich gegeben. Allerdings ging die von den Gemeindevertretern des 405-Seelen-Weilers an der Havel aus. 50 jüdische Aussiedler aus GUS-Ländern sollten im alten Schloß des brandenburgischen Dorfes untergebracht werden. Unzumutbar, befand der Gemeinderat und lehnte die Aufnahme ab. „Angst vor Einbrüchen“ und „zuviel Konflikstoff“ befürchteten die Dorfältesten damals. Der angereisten Presse gaben die Einwohner damals jede Menge Vorurteile über „die russischen Juden“ zu Protokoll, die „lieber nach Israel“ gehen sollten.
Als Ministerpräsident Manfred Stolpe die Sache eilig zum „Planungsfehler“ schönreden wollte, war es zum Abwiegeln längst zu spät. Ignatz Bubis fuhr nach Berlin, traf Stolpe zum öffentlichen Disput und besuchte auch die Gollwitzer. Schon bald willigte der Gemeinderat ein, die Fremden im Schloß aufzunehmen. Ein unfreiwilliges Happy End offenbar, zumindest für den Bürgermeister.
Nach „mittelalterlichen Methoden in Bann und Acht“ habe man seine Gemeinde gestellt, läßt Andreas Heldt nun in der JF wissen. Auch im rechten Thule-Netz ist sein Statement inzwischen nachzulesen. Kann er doch hier die Zustimmung finden, die er in den Medien bislang schmerzlich vermißt hat. Journalisten nämlich, so schreibt er, hätten zusammen mit „prominenten Vertretern“ den Namen Gollwitz durch „üble Hetze“ in Verruf gebracht: „Damit ist der Ruf unseres Dorfes weltweit geschädigt worden.“ Und weil Andreas Heldt sich nicht einschüchtern läßt, hat er gleich noch angekündigt: „Wer meint, in der Diskussion um die Unterbringung jüdischer Immigranten geht man wieder zur normalen Tagesordnung über, der irrt.“ Was das heißen soll? Daß die Aussiedler ruhig kommen sollen, wahrscheinlich. Und daß die Dorfjugend die Sache dann erledigt. Constanze v. Bullion
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