"In bester Erinnerung"

■ ARD-Programmchef Struve wollte SFB-Intendant werden, sagt aber ab, damit ARD-Chef Reiter wollen muß. Ganz aufgegeben hat er seine Intendantenträume aber trotzdem nicht

Diesmal sollte es klappen. Schon zweimal wurde dem derzeitigen ARD-Programmdirektor Günter Struve nachgesagt, er wolle Intendant werden, und zweimal wurde nichts draus. Weder beim SFB noch beim WDR konnte er sich den schönen Titel erkämpfen, obwohl er in Köln schon Fernsehchef war und als Kronprinz von Friedrich Nowottny gehandelt wurde.

Statt dessen ging Struve 1992 als ARD-Programmdirektor nach München. Auf dem Posten galt er zwar als König ohne Königreich, denn in der ARD entscheiden über wichtige Fragen die Intendanten der einzelnen Häuser. Doch die Quote fest im Blick, brachte er die ARD wieder auf Reichweite an Marktführer RTL heran. Renommé genug, um noch einmal den Griff nach einem Intendantenzepter zu wagen.

Nachdem Struve vergangenes Jahr aus der SPD ausgetreten war, galt er den Leithammeln im zerstrittenen SFB-Rundfunkrat als formidabler Konsenskandidat. Schon seit dem letzten Herbst sucht der Sender vergeblich einen Nachfolger für Günther von Lojewski, eine Wahl platzte bereits. Nun sprachen sich für den 57jährigen Struve Rundfunkratschefin Marianne Brinckmeier (SPD), Verwaltungsratschef Hartmann Kleiner (Unternehmerverbände) und das mächtige Rundfunkratsmitglied Klaus Landowsky (CDU) aus. Der frohlockte nach einer Rundfunkratssitzung am Montag abend: „Ich denke, es wird eine Zwei-Drittel-Mehrheit für Günter Struve geben“.

Einen Brief des Günter Struve, datiert auf 19. Januar, an Brinckmeir und Landowsky müssen sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Händen gehalten haben. Darin teilt ihnen Struve mit, er habe „heute morgen“ erneut versucht, seinen erst 1997 bis 2002 verlängerten Vertrag mit der ARD aufzulösen. Deswegen stehe er nicht zur Verfügung. Fast rührend legte Struve dar, „sehr gerne“ hätte er versucht, den SFB gemeinsam mit seinen Gremien für die Zukunft zu rüsten.

Wie es heißt, müssen die Intendanten „Einvernehmen“ über die Vertragsauflösung herstellen. Um dies zu sichern, telefonierten die Struve-Befürworter im Rundfunkrat in den vergangen Tagen eifrig in der ARD rum. Zwar erklärte NDR-Intendant Jobst Plog, er wolle sich einem Weggang Struves nicht entgegenstellen. Allerdings soll sich der ARD-Vorsitzende und MDR-Chef Udo Reiter quergestellt haben.

Der MDR-Intendant hatte vergangenes Jahr vorgeschlagen, daß der SFB in einem teils gemeinschaftlichen Haupstadtsender namens „ARD Berlin“ aufgeht. Für solche Pläne könne er einen starken SFB-Chef nicht brauchen, heißt es. Reiters Sprecher Frank- Thomas Suppé sagte auf taz-Anfrage nur: „Es wird so viel behauptet“. Er nannte es „nicht leicht für die ARD, einen Ersatz von Struves Format“ zu finden, falls dieser nach Berlin geht.

Struve gilt als gewiefter Taktiker. So hat er öffentlich nie zugegeben, auf den Intendantenstuhl scharf zu sein. Spekulationen spielt er schon seit Monaten runter. Offenbar sollten ihn die Berliner so eindeutig herbeirufen, daß er diesmal im Triumphwagen hätte einfahren können.

Nach der Absage wird in der ARD gerätselt, ob Struves Entschluß endgültig ist. Möglicherweise wolle er Reiter auch als Blockierer hinstellen und so unter Druck setzen, sagte ein Intendant gestern der taz. Tatsächlich appellierte die SFB-Rundfunkratsvorsitzende sogleich an Reiter, „seine bisherige Weigerung zu überdenken“.

Dafür, daß Struve seinen Intendantentraum noch nicht aufgegeben hat, spricht der zuckerfreundliche Ton seines Briefes: Die „vertrauensvollen Gespräche“ mit den Berliner Rundfunkräten seien ihm „in bester Erinnerung“. Georg Löwisch