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Kirchen haben heißen Draht zu o.tel.o

Mit den beiden Kirchen verliert die Telekom ihre größten Kunden. Jetzt will der Ex-Monopolist nachbessern. Auch der DGB und die Verwaltungen prüfen Angebote von anderen Telefonanbietern  ■ Von Annette Jensen

Berlin (taz) – „Bei uns rufen dauernd Telekom-Mitarbeiter an, die aus der Kirche austreten wollen“, meldete eine Mitarbeiterin des Rats der evangelischen Kirche gestern. Der Grund: Die beiden großen Kirchen möchten künftig ihre Ferngespräche über den Konkurrenten o.tel.o abwickeln – ein Tochterunternehmen der Energieriesen Veba und RWE. Bisher verdiente die Telekom 850 bis 900 Millionen Mark im Jahr durch telefonierende Bischöfe, Gemeindeschwestern und Kindergärtnerinnen. Mit weit über einem Prozent sind sie die weitaus größten Kunden auf dem deutschen Telefonmarkt. Der Rahmenvertrag zwischen o.tel.o und den Kirchen sieht vor, daß die rund 100.000 kirchlichen Einrichtungen vom Kindergarten bis zum Pfarrhaus, vom Krankenhaus bis zur evangelischen Medienakademie sich zu günstigen Konditionen beim Telekom-Konkurrenten anmelden können.

Sobald dort jemand ein Ferngespräch führt, also als erstes eine Null wählt, landet er automatisch im Netz von o.tel.o.

Um den Großkunden gut zu bedienen, will die neue Telefongesellschaft eine spezielle Servicegesellschaft einrichten. Die ersten Anschlüsse sollen im März freigeschaltet werden. Ab April will o.tel.o dann täglich 1.000 neue Anmeldungen bearbeiten.

Die Telekom kündigte gestern an, sie werde den Kirchen nun ein neues Angebot unterbreiten. Kein Kunde würde kampflos aufgegeben. Sprecher Hans Ehnert versuchte jedoch auch, das Problem kleinzureden: „Das Volumen, um das es geht, ist nicht so dramatisch.“ Schließlich werde die Telekom die Ortsgespräche weiter allein abwickeln. Beim Thema Telefonseelsorge werde man jetzt allerdings die Vereinbarung überprüfen. Erst im vergangenen Sommer hatte die Telekom in einem Fünfjahresvertrag zugesichert, keine Gebühren für Anrufe bei Beratungsstellen zu nehmen. Dabei gehen der Telekom schätzungsweise 5 Millionen Mark verloren.

Doch die Kirchen werden nicht die einzigen Kunden bleiben, die die Telekom verliert. Der Kampf geht dabei vor allem um die Großkunden, die mit einem Tausendstel der Anschlüsse zehn Prozent des deutschen Marktvolumens ausmachen. Bei Konzernen, Landesregierungen und -verwaltungen gehen zur Zeit attraktive Angebote ein. Auch der DGB wird umworben. „Wir sichten und bewerten erst einmal die vielen Angebote und beobachten den Markt“, so Bernhard Schulz vom DGB.

Wenig beruhigend für die Telekom dürfte auch sein, daß o.tel.o seit Dezember eng mit der Daimler-Tochter debitel zusammenarbeitet. Daimler belegt bisher mit schätzungsweise 130 Millionen Mark teuren Telefonrechnungen Platz zwei hinter den Kirchen.

Eine ganze Reihe Großabnehmer sind der Telekom schon in den vergangenen Jahren abhanden gekommen. Sony, RTL und etwa 800 weitere Großkunden haben bereits vor einiger Zeit einen Vertrag mit o.tel.o geschlossen. Der Bundestag wickelt seine Gespräche in mehrere Großregionen mit dem US-Anbieter worldcom ab. Auch eine ganze Reihe Unis sind schon fremdgegangen. Voraussetzung dafür war bis Silvester allerdings, daß es sich um einen geschlossenen Nutzerkreis mit gemeinsamem Knotenpunkt handelte.

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