piwik no script img

Bordellfreie Zonen

In Bahrenfeld und an der Reeperbahn sollen riesige Entertainment-Center entstehen  ■ Von Heike Haarhoff

Die Stimmung war euphorisch, als sei die Krise im hanseatischen Bau- und Immobiliensektor ausgestanden: Bei Sekt und Süppchen wurde gestern der Startschuß für zwei Großbauprojekte gegeben, die unbestritten das Hamburger Stadtgesicht verändern und angeblich Tausende neuer Arbeitsplätze schaffen werden.

In der „Tower Bar“des Hotel Hafen Hamburg ließ gestern mittag der 45jährige Hermann Müller aus Mittelfranken, bis vor kurzem Besitzer des Kölner „Pascha“und damit des größten Bordells Europas, seinen Blick über die Elbe schweifen. Und verkündete, er und seine „Bitterwolf Marketing GmbH“wollten das „Niebuhr-Hochhaus“an der Reeperbahn für 180 Millionen Mark verwandeln in ein Dienstleistungszentrum mit Varieté und Großdisco, „aber garantiert ohne Prostitution“.

Derweil legte an der Behringstraße in Altona nahe der Autobahn  7 der Hamburger Investor Bernhard Garbe (stilwerk, Anglo German Innovation Park) den Grundstein für den „Othmarschen Park Hamburg“.

Auf der 14 Hektar großen Industriebrache der stillgelegten Margarine-Fabrik des Unilever-Konzerns soll „Hamburgs größtes Privatbauvorhaben“entstehen. Geplant sind 800 Wohnungen, ein Medienpark samt Multiplex-Kino mit 2700 Plätzen der United Cinemas International (UCI), riesige Gewerbe- und Einkaufsflächen sowie ein medizinisches Zentrum und Hotel. 5000 Menschen sollen hier einmal wohnen und arbeiten.

Im ersten Bauabschnitt wird das „Entertainment-Center“mit Bowling-Bahn, Elektronikmarkt, Parkhaus, Gastronomie, Kino (Spiel-start: Mai 1999) fertiggestellt. Interessierte Pächter gebe es bereits, so Garbe. Mit einer Milliarde Mark ist die Investitionssumme so hoch wie die veranschlagten Kosten für die Hafenerweiterung in Altenwerder.

Geradezu bescheiden muten dagegen die Kiez-Pläne des Unternehmensberaters Hermann Müller an – jedenfalls, was das Finanzvolumen von 180 Millionen Mark angeht. 200 „ausschließlich in Hamburg bereits vertretene Gastronomen und Geschäftsleute“glaubt Optimist Müller überreden zu können, eine Filiale in seinem Dienstleistungszentrum „Die Kleine Freiheit“zu eröffnen. 20.000 Quadratmeter auf fünf Ebenen sollen für Boutiquen, Restaurants, Discos, Varieté-Theater und „Sex, aber höchstens auf dem Niveau des Crazy Horse in Paris“umgebaut werden.

Müller will sein Etablissement rund um die Uhr öffnen und rechnet mit „täglich 15.000 bis 20.000 Besuchern“. Eröffnung, so der Bezirk Mitte die beantragte Baugenehmigung erteilt, soll 2001 sein. Die 30 bis 40 Wohnungen im oberen Teil des Hochhauses verspricht Müller zu renovieren und um zwei Penthäuser aufzustocken, anschließend aber „zum gleichen Preis wie bisher“(18 Mark nettokalt) weiterzuvermieten.

Für die Umbauarbeiten hat Müller bereits das Hamburger Architektenbüro Kleffel, Köhnhold, Gundermann gewinnen können. Die drei Herren kennen sich auf der Reeperbahn mit gescheiterten Immobilien-Konzepten bestens aus: Am Millerntorplatz bauten sie im Auftrag der Managementgesellschaft DGM jüngst das Millerntorhochhaus fertig – und müssen nun mitansehen, wie 30.000 bezugsfertige Quadratmeter Bürofläche in ihrem unattraktiven Büroklotz wegen wenig ansprechender Architektur und zu hoher Mieten (siehe Interview) leerstehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen