Altenpflege – ein Knochenjob

Pflegebuchführungsverordnung, Pflegeabgrenzungsverordnung, Pflegestatistikverordnung: Das Inkrafttreten der Seehoferschen Gesundheitsreform hat den bürokratischen Aufwand in der ambulanten Pflegestation von Dinah Rütt vervielfacht. Die Krankenkassenpflegetabellen sind so detailliert ausgearbeitet, daß sie für den individuellen Bedarf untauglich geworden sind.

Anforderungen, die Aufklärungsarbeit bei der Kundschaft nach sich ziehen. Immer wieder werden den ambulanten Pflegekräften die gleichen Fragen gestellt: „Warum kommen Sie nur noch einmal die Woche? Mögen Sie mich nicht mehr? Warum muß ich fürs Frühstückmachen einen Antrag stellen?“

Aus Dinah Rütts (34) ambulanter Haus- und Krankenpflegestation im Berliner Stadtteil Neukölln ist eine Pfeiffer–Rütt GmbH geworden. Die kleinen Hilfsdienste fusionieren, um die Krankenkassensparmaßnahmen zu überleben: „Statt Leute zu entlassen, haben wir uns zusammengeschlossen. Die Gehälter mußten wir trotzdem kürzen, weil die Kassen Pflegegelder gekürzt haben, obwohl die Ansprüche eher gestiegen sind.“

Die gelernte Krankenschwester liebt ihren Beruf. Neben der Faszination für medizinische und psychologische Phänomene schätzt sie die sozialen Bindungen, die ihr Berufsalltag mit sich bringt. Die ergeben sich jedoch immer seltener, weil in immer kürzerer Zeit immer mehr Pflegearbeit geleistet werden muß.

Frau Rütt arbeitet vorwiegend für alleinstehende alte Menschen. Viele sind arm, einige sehr verwirrt und verwahrlost, andere dagegen legen besonders viel Wert auf Sauberkeit und Ordnung – im Haushalt ebenso wie am eigenen Körper.

„Die Leute haben einen Horror vor Pflegeheimen. So lange wie überhaupt möglich wollen sie in ihrer Wohnung und ihrem gewohnten Umfeld leben.“ Weil ambulante Pflege die Krankenkassen billiger kommt als ein Krankenhausaufenthalt, wird dieser Wunsch auch unterstützt.

Die Einbindung älterer Menschen in soziale Strukturen und Netzwerke – Familie, Freunde, Selbsthilfegruppen, Freizeitstätten – „hebt das Lebensgefühl und hält körperlich wie psychisch fit“.

Das bestätigt auch die Studie Gesundheitsförderung in der Stadtplanung: Je weniger soziale Kontakte einem alten Menschen zur Verfügung stehen, desto schneller baut er gesundheitlich und psychisch ab. „Wenn soziale Dienste nicht im nahen Umfeld (für alte Menschen heißt das zwischen 300 bis 400 Metern) präsent sind und nicht in der alltäglichen Welt der Leute in Erscheinung treten, werden sie ignoriert“, so Christa Kliemke (50) vom Gesundheitswissenschaftlichen Institut der TU Berlin.

Alternative Wohnprojekte, die neben Einzelwohnungen und Gemeinschaftsbereichen auch Pflege- und Versorgungsstrukturen miteinbeziehen, haben sich in der Stadtplanstudie als optimale Wohnform zum Altwerden bestätigt. Karin Kasböck