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■ VorschlagEkel Alfred im Zimmertheater Karlshorst

Das Zimmertheater Karlshorst (“ZK“) spielt „Ekel Alfred“. Komisch, Szenen der westdeutschen „Kult“-Fernsehserie von Wolfgang Menge, die Anfang der 70er Jahre im Westen die Gemüter erhitzte, in Karlshorst auf die Bühne zu bringen. Noch dazu von ehemaligen Mitgliedern des Ost-Berliner Lehrerkabarettensembles „Dr. Theodor Neubauer“. Im Brechtjahr ein Unternehmen mit zahlreichen, äußerst verwirrenden V-Effekten. Bekanntlich ist die Familie Tetzlaff eine Schreckensversammlung; oder, um es in den Worten des ausländerfeindlichen, proletarischen Familiendiktators zu sagen: „ein Haushaltsvorstand, fleißig, zuverlässig, pflichtbewußt. Eine Ehefrau, geistig nicht so ganz auf der Höhe, aber reinlich, eine Tochter, die mit Hängen und Würgen durch die mittlere Reife gerutscht ist – und ein anarchistischer Schwiegersohn.“ Alfred Tetzlaffs launige Rassismen und Sexismen wären mittlerweile im Fernsehen undenkbar, doch anstatt sich zu massakrieren, bleibt die Familie zusammen, auf ihrem schicken Sofa sitzen. Durchaus ein utopisches Moment, das daran erinnert, wie damals in DDR-Kneipen Linke und Rechte, Prolos und Künstler gemeinsam an einem Tisch sitzen blieben. Eigentlich ist ja die Familie Tetzlaff sehr harmonisch und paßt gut ins netteste Theater Berlins, das sich vor allem Friedrich Hollaender, Kurt Tucholsky und Heinz Erhardt widmet.

Die erste Stunde der Inszenierung ist unglaublich dicht, gelungen, superkomisch. Die Schauspieler sind großartig. Der kleine, knorrige, proletarische Vater mit der ewigen Bild-Zeitung (ein ganz großartiger Dr. Helfritsch mit durchaus passendem Thüringer Akzent), Frank Burkhard Habel, stets den aufrührerischen Spiegel in der Hand, gibt einen wunderbaren Juso-Schwiegersohn; die Tochter liest Brigitte. Mißverständnisse treiben die Geschichten voran. Es geht um: Sozis, Schwule, Exhibitionisten (“Wenn die Sozis an die Macht kommen, wird Exhibitionismus zur Pflicht“), Kiesinger, Kissinger, Brandt, Schmidt, Ölkrise, Hertha (Musik: „Blauweiße Hertha/ du bist mein Sportverein/ Blauweiße Hertha – du wirst es immer sein“), Rosenmontagszüge, Italiener und Ostler. Mein Lieblingssatz heißt: „Ein Busen kann doch etwas sehr Schönes sein!“ Eintritt muß man keinen bezahlen. Am Ende geht ein Hut rum. Danach gibt es „Alfred Bowle“. Auf dem Rückweg fahren wir an der „Alfredstraße“ vorbei. Tatsächlich. Detlef Kuhlbrodt

Zimmertheater Karlshorst im Kulturhaus Lichtenberg, Treskowallee 112, 10318 B-Karlshorst Weitere Vorstellungen: 27./28.2.; 20./21.3, Bestellungen (oft ausverkauft) unter: 5534616

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