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■ Debatte um das Holocaust-MahnmalKein Gruselkabinett, sondern Raum für Versöhnung

Einen „schönen Garten der Erinnerung, in den die Besucher gerne kommen“, möchte Gesine Weinmiller schaffen. Die 34jährige stellte am Freitag abend nach dem Duo Serra und Eisenmann, Jochen Gerz und Daniel Libeskind als letzte der vier KandidatInnen ihren Entwurf für das geplante Holocaust-Mahnmal vor. Die Architektin hat 18 Steinmauern in unterschiedlichen Höhen konstruiert, die im Gesamtbild an einen abstrahierten Davidstern erinnern. Weinmiller ist die einzige Frau, die in die engere Auswahl kam. Daß sie zudem eine wesentlich jüngere Generation als die anderen Künstler vertritt, konnte man bei ihrer Präsentation spüren. Die Architektin erzählte in der wieder voll besetzten Marstall-Galerie in Mitte von ihrer Jugend, wo der Holocaust in der Schule „bis zum Erbrechen gelernt“ wurde. Das hat Weinmil

ler sehr geprägt, wie sie sehr eindrücklich sagte. Doch befürchtet sie, daß die nächsten Generationen immer weniger über den Nationalsozialismus lernten, so daß der Holocaust irgendwann als nur eins von vielen Verbrechen in die Geschichte eingeordnet werde. Dagegen will sie angehen. „Ich möchte die herausragende Form des Holocaust vermitteln“, sagt Weinmiller. „Vielleicht brauchen ich und meine Kinder kein Denkmal, aber die nachfolgenden Generationen auf jeden Fall.“

Kritik mußte Weinmiller aber vor allem dafür einstecken, daß ihr Entwurf zu „schön“ und deswegen auch zu „harmlos“ sei. Es fehle „Aggressivität“, es störe die „affektberuhigte Feierlichkeit“, die die Architektin schaffen wolle. Weinmiller entgegnete, daß sie eben Ruhe brauche, um zu gedenken. Wenn ihr Entwurf als zu langweilig empfunden werde, müsse man eben ins Gruselkabinett gehen. Auf dem mit Kirschbäumen umpflanzten Areal solle „die Versöhnung im Kopf vorbereitet“ werden. Für Weinmiller ist Architektur erst einmal grundsätzlich unschuldig; erst die Menschen machten etwas daraus.

Und: Weinmiller möchte mit ihrem Denkmal nicht belehren, dazu seien die Topographie des Terrors und das Jüdische Museum da. Daß sie den „erhobenen Zeigefinger“ ablehnt, brachte ihr Zustimmung ein, insbesondere bei den 20- bis 30jährigen. Dennoch: Als ein Zuschauer sagte, der von ihr geschaffene Ort sei zwar sympathisch, aber das sei „insgesamt zuwenig“, traf er ein oft geäußertes Gefühl der BesucherInnen. Ein anderer kritisierte, daß der Entwurf hinter ihrer Konzeption zurückbleibe, er vermisse die politische Ebene.

Ein weiterer Diskussionspunkt war die Form des Davidsterns. Eine Zeitzeugin bedankte sich zwar für den Garten, den Weinmiller schaffen wollte („dadurch fühle ich mich sehr verbunden mit Ihnen“), lehnte den Davidstern aber strikt ab. Auch wurde befürchtet, daß Juden durch diese Form stigmatisiert würden. Doch Weinmiller sieht das anders. Der Stern sei nicht nur ein religiöses Symbol, sondern eines, womit alle Juden gemeint seien. Julia Naumann

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