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Neonaziaufmarsch in Dresden

■ An der Gegendemonstration gegen den rechten Aufmarsch beteiligten sich ebenfalls etwa 1.000 Menschen. In Wurzen kam es nach einem Angriff von Neonazis auf einen Zug "unter den Augen der Polizei" zu Schlägereien

Etwa 1.200 Neonazis und andere Rechtsextremisten beteiligten sich am vergangenen Samstag in Dresden an einem Aufmarsch der rechtsextremen NPD. Die Aktion richtete sich gegen die Wehrmachtausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung, die seit dem 20. Januar in der sächsischen Landeshauptstadt gastiert. Gegen den Neonaziaufmarsch demonstrierten zeitgleich und nur wenige Straßen entfernt rund 1.000 AntifaschistInnen unter dem Motto „Kein Platz dem faschistischen Geschichtsrevisionismus – Verbrechen lassen sich nicht leugnen.“

Die GegendemonstrantInnen waren einem Aufruf des Dresdner „Bündnis gegen Rechts“ gefolgt, in dem sich Organisationen von der SPD bis hin zu Antifa-Gruppen zusammengeschlossen haben. Größere Zusammenstöße wurden durch die Polizei verhindert, die mit 3.000 Beamten aus sechs Bundesländern im Einsatz war. Die Polizei nahm 34 Personen in Gewahrsam.

Weniger ruhig verlief der Tag im sächsischen Wurzen, das bereits wiederholt wegen seiner umtriebigen Neonaziszene in die Schlagzeilen geraten war. Als am Morgen der Regionalzug aus Leipzig nach Dresden in den Bahnhof der Kleinstadt einfuhr, warteten dort etwa 80 Neonazis aus der Region. Sie griffen den Zug an, in dem sich etwa 200 AntifaschistInnen auf dem Weg nach Dresden befanden. „Unter den Augen der Polizei“, so ein Augenzeuge, hätten die Rechten den Zug mit Steinen beworfen. Anschließend stiegen sie in die letzten drei Waggons. Wie die Polizei mitteilte, wurde nach der Weiterfahrt des Zuges auf offenem Feld die Notbremse gezogen, und die Auseinandersetzung zwischen den beiden Gruppen eskalierte. Neun Personen mußten im Krankenhaus behandelt werden.

Das Dresdner Bündnis gegen Rechts zog im nachhinein eine negative Bilanz des Tages. Verschiedene Vertreter kritisierten die Polizei: Sie habe die Neonazis eskortiert, während die Gegendemonstration ständigen Behinderungen ausgesetzt gewesen sei. Ein Sprecher der SPD wertete die Mobilisierung als „nicht ausreichend“ und führte dies auch auf das zwischenzeitliche Verbot der Demonstration zurück. Nachdem die Stadt Dresden in der Woche zuvor sowohl den Naziaufmarsch als auch die Gegendemonstration verboten hatte, entschied das Oberverwaltungsgericht Bautzen nur einen Tag zuvor, daß es dafür keine ausreichende Handhabe gäbe. Das Innenstadtverbot für die Gegendemonstration sahen die Richter hingegen als rechtmäßig an.

Daß die NPD die sächsische Landeshauptstadt Dresden für einen weiteren Auftritt gegen die Wehrmachtausstellung genutzt hat, verwundert kaum: Die Partei hat in Sachsen ihren stärksten Landesverband, der als Extrembeispiel für den bundesweiten Auftrieb der Partei gilt. Nach Eigenangaben wuchsen die Mitgliederzahlen dort im vergangenen Jahr von 300 auf 1.000 an. Verantwortlich dürften dafür die Bestrebungen der NPD sein, sich als rechtes Sammelbecken zu etablieren. Dies wurde am Samstag erneut deutlich: Ältere Parteimitglieder waren kaum zu sehen, dafür um so mehr Skinheads und junge Neonazis.

Zu einem Eklat um die Ausstellung kam es bei der Landeszentrale für politische Bildung, die zu einer Diskussion die Rechtsradikalen Alfred Mechtersheimer und Franz Uhle-Wettler eingeladen hatte. Volker Beck und der PDS-Bundestagsabgeordnete Heinrich Graf von Einsiedel blieben der Debatte daraufhin fern.

Dieter Neudorf

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