: Zukunft in Berlin: Innen pfui und außen hui
■ Eine Studie des Senats prophezeit der Innenstadt eine düstere Zukunft: Sozialer Abstieg der Bevölkerung führt zu neuen "Problemgebieten"
Die Zukunft der Berliner Innenstadt sowie der Neubaugebiete in West- wie Ostberlin ist von zunehmender Armut, Arbeitslosigkeit sowie der Abwanderung von Besserverdienenden und Familien gekennzeichnet. Zu diesem Ergebnis kommt ein bislang unveröffentlichtes Gutachten mit dem Titel „Projekt Soziale Stadtentwicklung“, das Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) in Auftrag gegeben hat.
Aufgabe der Autoren der Studie, Hartmut Häußermann und Adreas Kapphan von der Humboldt-Uni sowie Gabriele Mersch und Christoph Speckmann des Sanierungsträgers S.T.E.R.N., war die Untersuchung der sozialräumlichen Veränderungen in Berlin sowie die Erarbeitung von Vorschlägen, wie die Politik auf diese wachsende Entmischung reagieren könne. Untersucht wurden insbesondere die Situation in den West- und Ostberliner Innenstadtbezirken sowie der Siedlungen des sozialen Wohnungsbaus in Westberlin und der Großsiedlungen im Ostteil der Stadt. Am düstersten sieht demnach die Zukunft der Westberliner Innenstadtbezirke aus, wo bereits heute viele Haushalte in Armut lebten. Zunehmende Arbeitslosigkeit und Sozialhilfedichte, der Wegzug der Besserverdienenden sowie der Anstieg der Ausländerquote führten zu einer Herausbildung von „Gebieten mit besonderen Problemlagen“.
Während sich in Westberlin damit ein bestehender Trend fortsetze, sei nun auch in Ostberlin eine zunehmende soziale Entmischung der Bevölkerung zu beobachten. Dabei zeichne sich in den Altbauquartieren – trotz einiger Gebiete mit sozialer Aufwertung – die Entwicklung einer „zunehmenden Segregation ,nach unten‘“ ab, während den Plattenbausiedlungen durch zunehmenden Fortzug der Besserverdienenden ein „Kippen“ drohe.
Die bisherige Praxis der Stadterneuerung wird damit nicht nur von Stadtsoziologen wie Häußermann und Kapphan, sondern auch Vertretern des Sanierungsträgers S.T.E.R.N. als dringend ergänzungsbedürftig bewertet. Als „Handlungskonzept“ für eine „stadtpolitische Intervention“ wird deshalb ein Bündel von Überlegungen vorgestellt, mit dem die zunehmende sozialräumliche Segregation verlangsamt werden sollte. Grundgedanke ist dabei, die bislang vorrangig bauliche Förderung – ähnlich wie in Hamburg – um arbeitsmarktpolitische und soziale Maßnahmen zu ergänzen. Dazu gehöre laut Häußermann eine Stärkung der lokalen Akteure ebenso wie die Initiierung neuer Vermittlerinstitutionen sowie des Sponsorings durch die Privatwirtschaft. Widerspruch kommt dagegen von den Bündnisgrünen. „Damit stiehlt sich der Staat aus der Verantwortung“, kritisierte die Abgeordnete Ida Schillen. Gerade die Kürzung der Gelder für Organisationen wie den Verein SO36 habe nicht unwesentlich zu der Entwicklung beigetragen, wie sie nun beklagt werde. Uwe Rada
Berichte Seite 23
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen