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Harte Bandagen im Altenheim

■ Altenpfleger wehren sich gegen Arbeitgeber vor Gericht / Die Arbeitnehmer fühlen sich systematisch von der Heimleitung gemobbt / Eine Kündigung wurde bereits wieder aufgehoben

„Das ist ein ganz deutlicher Fall von Mobbing.“Für Prozeßbeobachter Horst-Gunther Schröder von der Bremer Mobbing-Selbsthilfegruppe ist die Sache klar: Die Heimleitung des Altenwohnheims Blumenkamp hat drei dienstliche Abmahnungen gegen die Mitarbeiterin Wilma Q. nur verhängt, um die examinierte Krankensschwester nach 14 Dienstjahren im Haus loszuwerden.

Gestern sollte das Bremer Arbeitsgericht klären, ob die Abmahnungen in der Personalakte bleiben. Erst vor einer Woche mußte die Heimleitung eine Niederlage in einer ähnlichen Sache einstecken: Auch Gerd-Rolf Rosenberger, seit 18 Jahren im Haus, hatte von Heimleiterin Barbara T. drei Abmahnungen bekommen – und eine Kündigung mit Hausverbot. Das Gericht befand: Zu unrecht. Nun muß er nach einer halbjährigen Zwangspause wieder im Haus Blumenkamp eingestellt werden.

Im Altenwohnheim Blumenkamp in Bremen-Nord ist die Stimmung unter der Belegschaft mehr als angespannt. Die einen stellen sich auf die Seite der Abgemahnten, auch Betriebsrat und ÖTV sind dabei. Die anderen solidarisieren sich mit der Heimleitung. Der vermeintliche Hintergrund für die Konflikte: Im Haus Blumenkamp in Bremen-Nord eskalierte letzten Sommer ein Konflikt um neue Pflegekonzepte, der schon länger schwelte. Eine Heimbewohnerin war mit einer Wolldecke in ihrem Bett fixiert worden. Die alte Frau wollte vermutlich an dem „Nachtcafé“teilnehmen, eine von vielen Änderungen des Pflegekonzeptes, die von Rosenberger und Q. initiiert worden waren. Im Nachtcafé konnten schlaflose Heimbewohner eine Tasse Kaffee trinken oder eine Zigarette rauchen, damit sie nicht alleine in ihren Zimmern die Nacht durchwachen müssen. Genau diese Einrichtung und vielleicht auch das frühere gewerkschaftliche Engagement Rosenbergers war der Heimleitung ein Dorn im Auge. „Sturzgefahr beim nächtlichen Umherirren der Bewohner“fürchtete Heimleiterin Barbara T. damals. Das Nachtcafé in seiner bestehenden Form wurde per Dienstanweisung eingestellt.

Seit einem Jahr hatte es im Haus Blumenkamp gegen kritische Mitarbeiter Abmahnungen durch die Heimleiterin geregnet. Innerhalb eines halben Jahres hatten Rosenberger und Q. jeweils drei davon bekommen, ein Arbeitsvertrag einer anderen Mitarbeiterin wurde nicht verlängert.

Nach der Kündigung Rosenbergers und den wiederholten Abmahnungen der zwei Mitarbeiter zog man vor das Arbeitsgericht. Nun, da Rosenberger wieder im Blumenkamp arbeiten wird, will sich die betroffene Stations- und Heimleitung nach Informationen des Chefs der Bremer Heimstiftung, Alexander Künzel, versetzen lassen. „Rosenberger hat das Haus in Mißkredit gebracht“, meint Künzel. Inzwischen spricht alles dafür, daß das Urteil durch die Heimleitung angefochten wird.

Wilma Q. muß mit dem Urteil in ihrer Sache noch sechs Wochen warten. Doch schon gestern wollte das Gericht nur über eine der drei Abmahnungen sprechen und vernahm dazu vier Stunden lang Zeugen – eher ungewöhnlich, wenn nur über Regelungsmaßnahmen wie Abmahnungen verhandelt wird. Selbst der Richter fand, daß hier mit „harten Bandagen“gekämpft würde. „Es gab einen massiven Problemstau.“Und der, so der Richter, könne mit Abmahnungen höchstwahrscheinlich nicht gelöst werden. Christoph Dowe

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