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Erster Akt im slowakischen Wahltheater

Bei der ersten Runde der Präsidentenwahlen wird heute voraussichtlich keiner der drei Kandidaten gewinnen. Damit geht die Rechnung des autoritären Regierungschefs Vladimir Mečiar auf: Er bekommt noch mehr Macht  ■ Von Keno Verseck

Budapest (taz) – Dem slowakischen Staatspräsidenten Michal Kováč bleibt noch ein guter Monat. Am 2. März läuft seine Amtszeit ab. Mehrere Kandidaten haben sich als Nachfolger beworben. Wie es scheint, vergeblich. Nach dem 2. März wird es in der Slowakei wohl überhaupt keinen Staatspräsidenten mehr geben.

Dieses Ergebnis scheint festzustehen, noch bevor die Abgeordneten des slowakischen Parlaments heute zusammenkommen, um ein neues Staatsoberhaupt zu wählen. Für die Wahl eines Kandidaten sind laut Verfassung mindestens drei Fünftel der Stimmen notwendig, also 90 von 150. Der Regierungskoalition fehlen zu dieser Mehrheit einige Stimmen, und auf Unterstützung von der Opposition kann sie nicht zählen. Bisher scheiterten alle Versuche, sich auf einen Kandidaten zu einigen, der die erforderliche Mehrheit erreichen würde. Und genau auf diese Situation hat es die Koalition unter Ministerpräsident Vladimir Mečiar offenbar abgesehen.

Seit langem ist der schrittweise Umbau der Slowakei zu einem autoritär-nationalistischen Regime im Gange. Als Mehrheitsbeschaffer im Parlament dienen Mečiars regierender Oligarchie Bewegung für eine demokratische Slowakei (HZDS) dabei eine kryptokommunistische sowie eine ultrarechte Splitterpartei. Eines der wenigen demokratischen Hindernisse war für Mečiar bislang der Staatspräsident Michal Kováč, einer seiner ehemaligen Weggefährten, der sich jedoch von dessen diktatorischen Ambitionen schon vor Jahren distanziert hat.

Um dem Kurs Mečiars entgegenzusteuern, hatte Kováč in der Vergangenheit immer wieder Gebrauch von seinen Befugnissen gemacht, etwa Gesetze an das Parlament zurückgewiesen oder sie nicht unterschrieben, womit sie dann auch nicht in Kraft treten konnten.

Damit Mečiar in Zukunft niemand mehr in die Quere kommt, blockiert seine regierende Bewegung für eine demokratische Slowakei (HZDS) nun – wenn schon keine Mehrheit für einen genehmen Präsidenten zustande kommt – die Wahlen gleich ganz. Denn in dem Fall, daß niemand gewählt wird, gehen bestimmte Befugnisse des Staatschefs auf die Regierung und den Ministerpräsidenten über, etwa das Oberkommando über die Armee, das Recht, Gesetzesbeschlüsse an das Parlament zurückzuweisen, oder das Recht, Verfassungsrichter einzusetzen.

Zumindest bis zu den Parlamentswahlen Ende September dieses Jahres kann Mečiar diese Situation beliebig beibehalten: Zwar müssen die Abgeordneten versuchen, jeweils im Abstand von nicht mehr als dreißig Tagen ein neues Staatsoberhaupt zu wählen. Doch Mečiars Regierungspartei kann die Wahl immer wieder sabotieren, denn sie verfügt mit 61 Abgeordneten über zwei Fünftel plus eine Stimme.

Konsequenterweise hat die HZDS bisher auch darauf verzichtet, überhaupt einen Kandidaten für die heutigen Wahlen aufzustellen. Nominiert sind nur zwei Kandidaten der Opposition und ein individueller Kandidat. Für die Partei der Demokratischen Linken (SDL) tritt der Agronom und ehemalige Umweltminister Juraj Hrasko an. Die christdemokratisch-sozialliberale Slowakische Demokratische Koalition (SDK) unterstützt den parteilosen Wissenschaftler Stefan Markus, der Vorsitzender des slowakischen Helsinki-Komitees ist.

Freilich wollen sich Mečiar und seine Koalition nicht nur damit zufriedengeben, bis zu den Parlamentswahlen freie Hand zu haben. Weil die Umfragen der jetzigen Regierungskoalition immer schlechtere Ergebnisse bescheren und für die Opposition eine Mehrheit in Sicht ist, soll nun das Wahlgesetz geändert werden. Künftig soll statt der Drei- die Fünfprozenthürde gelten. Kleinere Gruppierungen, wie etwa die drei Parteien der ungarischen Minderheit, haben dann kaum noch Chancen, wieder ins Parlament zu kommen.

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