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Das Ende der Verführung

■ Der letzte Frauenbuchladen "Lilith" schließt morgen nach 21 Jahren mit einem Schuldenberg. Die Macherinnen sind sauer auf die Frauenbewegung, die "nicht durchgehalten hat"

Der Laden in der Charlottenburger Knesebeckstraße war eine wahre Fundgrube für alle Frauen, die sich für Bücher von Frauen über Frauen interessiert haben. Hier gab es einfach alles: Biographien über Erika Mann und Virginia Woolf, Gesundheitsratgeber zu Menstruationsbeschwerden und Brustoperationen, aber auch die neuesten Werke der US-Philosophin Judith Butler. Doch morgen schließt „Lilith“ endgültig seine Pforten – der älteste und letzte Frauenbuchladen der Stadt muß nach 21 Jahren aufgeben.

„Das liegt daran, daß wir zuwenig Umsatz machen und einen riesigen Schuldenberg haben“, sagt Lilith-Mitarbeiterin Margarete Schubert frustriert. Die Pleite hat ihrer Ansicht nach mehrere Gründe: Ungefähr ein Viertel des Umsatzes habe der Laden früher durch Bestellungen von Frauenprojekten, Schulen und Bibliotheken gemacht. Doch durch den „ewigen Sparzwang“ seien die Bestellungen in den vergangenen Jahren immer weiter zurückgegangen.

Zu Buche geschlagen habe auch, daß die Knesebeckstraße mit traditionell vielen Buchläden und Restaurants jetzt parkraumbewirtschaftet wird und deshalb wesentlich weniger KundInnen vorbeikämen. „Hier in der Straße herrscht jetzt oft Totentanz“, stellt Schubert lapidar fest. Und: Studentinnen kauften im Gegensatz zu den achtziger Jahren nicht regelmäßig, sondern viel seltener wissenschaftliche Bücher über Feminismus.

Doch die wichtigste Ursache ist für die 52jährige, die 1976 den Laden mit acht Frauen gegründet hat, daß die Frauenbewegung eben kaum noch existiere. Bei der Gründung von „Lilith“ und „Labrys“ – der zweite Berliner Frauenbuchladen, der schon vor einigen Jahren schließen mußte – waren die Läden „öffentlicher Frauenraum für Diskussionen und Aktionen“, erzählt Schubert. Heute sei das anders: „Ich bin sauer und wütend auf die Frauen, daß sie wieder einmal nicht durchgehalten haben“, sagt Schubert verbittert. So habe es in den vergangenen Jahren immer wieder Appelle zur Unterstützung von „Lilith“ in der Frauenszene gegeben – mehr oder weniger erfolglos.

Doch vielleicht liegt der mangelnde Erfolg auch an einem fehlenden Konzept: So haben die beiden Betreiberinnen Margarete Schubert und Monika Einzele zwar im vergangenen Jahr regelmäßig Lesungen organisiert, doch beispielsweise das Thema „Höhlenforschung“ lockte kaum eine Frau in den Laden. Und anscheinend wollte „Lilith“ auch nicht wirklich den geänderten Geschmack der Kundinnen akzeptieren: So stellten die beiden Mitarbeiterinnen in der Vergangenheit einen Buchständer mit leichterer Frauenliteratur auf, der dann auch „sehr begehrt war“. Doch dann hätten sie, erzählt Schubert, die Taschenbücher wieder ins Regal mit anderen Büchern gemischt, „damit die Frauen nicht verführt werden“.

„Die Kundinnen haben sich verändert“, stellt auch Ika Hügel fest, Mitarbeiterin des Orlanda-Frauenbuchverlages, die jahrelang mit Lilith kooperiert haben. Um wirtschaftlich zu überleben, müßten immer mehr nichtpolitische Bücher ins Angebot genommen werden. Zum Beispiel Gesundheitsratgeber und Lesbenromane. Die liefen auch bei Lilith zum Schluß am besten. Julia Naumann

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