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Ein Reformprogramm für Rot-Grün

■ Mit dem gewissen Hang zur Grundsätzlichkeit diskutierten die Grünen anderthalb Jahre über ein Reformprogramm. Am Wochenende soll es verabschiedet werden und die Grundlage für rot-grüne Gespräche und einen R

Wenn die Grünen am Wochenende ihr reformpolitisches Programm verabschieden, liegt ein langer Weg hinter ihnen. Es begann an einem grauen Novembertag im Jahre 1996. Der damalige grüne Parteisprecher Christian Ströbele hatte wieder einmal die rosarote Brille auf, als er die kühne Idee verkündete: Die Grünen sollten bis zum Frühjahr 1997 ein Regierungsprogramm vorlegen, das den Führungsanspruch der Partei untermauern sollte.

Beflügelt vom guten Abschneiden des Parteifreundes Rezzo Schlauch bei der Stuttgarter Oberbürgermeisterwahl kurz zuvor sprach Ströbele von einer grün-geführten Regierung, bei der die Ökopartei auch die Regierende Bürgermeisterin stellen solle.

Doch auf den Höhenflug folgte die Ernüchterung: Ein Dutzend „knackige“ Reformprojekte zu präsentieren, die Lust auf einen Regierungswechsel wecken sollten, erwies sich in der Umsetzung als mühsames Unterfangen. Je länger die Partei diskutierte, desto länger wurde auch das Papier. Der grüne Hang zur Grundsätzlichkeit führte dazu, daß nun doch Reformvorschläge zu allen Politikbereichen aufgenommen wurden. Der Begriff „Regierungsprogramm“ wurde als zu großspurig verworfen. Von grün-geführter Regierung spricht auch niemand mehr – zum einen, weil die SPD bei Umfragen zugelegt hat, zum anderen, weil viele Grüne schon froh wären, wenn es überhaupt für eine rot- grüne Mehrheit reichen würde. Denn eine von der PDS tolerierte rot-grüne Regierung ist mit der SPD nicht zu machen und auch unter Grünen umstritten.

Nach dem Rückschlag im Juni 1997, als der Parteitag die Verabschiedung des Programms überraschend verweigerte, weil es vielen noch zu unausgegoren war, kommt die Verabschiedung jetzt zu einem günstigen Zeitpunkt. Denn das Papier soll die Grundlage für öffentliche Diskussionsforen mit der SPD liefern, Übereinstimmungen ausloten und somit einen Regierungswechsel vorbereiten. Die SPD läßt inzwischen eine deutliche Vorliebe für ein rot-grünes Bündnis nach der Wahl 1999 erkennen. Doch auch für den Fall vorgezogener Neuwahlen seien die Grünen jetzt gerüstet, sagt Parteisprecher Andreas Schulze.

Völlig neue Vorschläge enthält das Reformprogramm nicht, es ist vielmehr eine Bündelung all der Ideen, die die Grünen in jahrelanger Opposition erarbeitet haben. Kontroverse Debatten werden am Wochenende noch bei der Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Hochschulpolitik erwartet. Umstritten ist der Vorschlag des langjährigen Parteimitglieds Helga Metzner, bei der Umverteilung von Arbeit auch verstärkt auf ehrenamtliche Arbeit zu setzen. Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion, Sibyll Klotz, lehnt dies ab. Sie befürchtet, daß unbezahlte, ehrenamtliche Arbeit den Abbau von Sozialleistungen legitimieren könnte. Klotz setzt statt dessen auf Arbeitszeitverkürzung. In der Schulpolitik stoßen die Vorschläge der Abgeordneten Sybille Volkholz auf Widerspruch bei linken GEW-Lehrern. Sie befürchten, daß das grüne Modell der verstärkten Autonomie von Schulen je nach bezirklicher Sozialstruktur zu ungleichen Bedingungen führt.

Für Diskussionsstoff ist somit gesorgt, zumal dem Parteitag noch eine Flut von Änderungsanträgen vorliegt. Dorothee Winden

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