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Techtelmechtel in der Kirche

■ Lachen mit Blaumeier und Orazio Vecchis Madrigaloper „L'Ampiparnaso“

Nichts wie hin: Es gibt wieder eine Blaumeier-Aufführung! Aber diesmal kein Schaupiel mit den schrägen Typen, die wir alle so lieben, sondern die Aufführung einer Madrigaloper aus dem Jahr 1594. Orazio Vecchi aus Modena hat sie geschrieben. Die Gattung aus dem Vorfeld der Oper hat sich nicht weiterentwickelt: Die Geschichte mit den stilisierten Menschen der Commedia dell'Arte wird erzählt, auch in Dialogen. Und das, was später die Arie ist, erklingt als fünfstimmiges Madrigal. Die Lösung, die der musikalische Leiter Hartmut Emig mit dem nicht professionellen, aber stilistisch und intonatorisch hervorragenden Vokalensemble „Alla Brema“und der Regisseur Marcello Monaco gefunden haben, kann nur als „hinreißend gelungen“bezeichnet werden.

Im Hintergrund des Chorraumes der Kirche Unser Lieben Frauen steht der 13köpfige Chor, davor agieren die aus Kisten herausgeholten Personen mit Halbmasken tänzerisch und pantomimisch. Und man weiß nicht, was man besser finden soll: die perfekte und komische Charakteristik der Masken oder die unabsichtlich und absichtlich unbeholfenen Bewegungen. So, wie Regisseur Marcello Monaco sie agieren läßt, werden die Situationen von Grund auf ironisch: Wie der alte Pantalone sich ein junges Mädchen mit seinem Geld schnappen möchte, wie der zarte Lucio sich aus Liebeskummer vom Felsen stürzen will, wie seine Freundin Isabella ein Techtelmechtel mit dem Machokapitän Cardon anfängt, wie das vertrottelte Muttersöhnchen Gratiano die Tochter Pantalones versprochen bekommt ... und so weiter und so weiter. Es war die pure Lust und Freude, diesem „Spiegel des menschlichen Lebens“– so wollte der Komponist sein genuines Werk verstanden wissen – zu folgen.

Dafür gibt's freilich Gründe: einer war der blendende Sprecher, der den Inhalt mit aktuellen Anspielungen aufbereitet hat. Dann hat es Monaco verstanden, einen Stil zu finden, der absolut präsent ist, der aber gleichzeitig der Musik ihren Raum läßt, eine Gratwanderung, die nicht einfach und deren Lösung nicht selbstverständlich ist. Also: nichts wie hin und sich amüsieren über die stupsnäsige Beleidigtheit der Lisa, die aufgestülpten Lippen der Hortensia, die blonden Löckchen des hilflosen Lucio, die stechenden Augen des Kapitäns. Alle Gesichter bekamen durch die Bewegungen ein ebenso subtiles wie direktes Leben.

Ute Schalz-Laurenze

Heute abend um 20 Uhr in der Kirche Unser Lieben Frauen

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