: Die Gespenster der Vergangenheit
■ Rumänien will Mitglieder der faschistischen Antonescu-Regierung rehabilitieren. Im März entscheidet das Oberste Gericht über den Fall
Berlin (taz) – Der Oberste Gerichtshof Rumäniens wird am 9. März entscheiden, ob nur der frühere Staatssekretär Toma Petru Ghitulescu rehabilitiert wird oder noch sieben weitere Minister der faschistischen Antonescu-Regierung. Bereits im Oktober 1997 hatte der Generalstaatsanwalt die Rehabilitierung mehrerer Minister angekündigt. In einer Erklärung hieß es, sie seien nicht für die antijüdischen Maßnahmen mitverantwortlich. Unter der von 1940 bis 1944 amtierenden Antonescu-Regierung waren mindestens 120.000 rumänische Juden und mehr als 20.000 Roma, zumeist in KZ-ähnlichen Einrichtungen in Transnistrien, umgebracht worden.
Die Bekanntmachung des Oberstaatsanwalts war im Westen mit Bestürzung aufgenommen worden. In einem Brief an Staatspräsident Emil Constantinescu protestierten zwei amerikanische Abgeordnete, Christopher Smith und Alphonse D'Amato, gegen die Entscheidung. Eine Rehabilitierung stünde im Widerspruch zu den „fundamentalen westlichen Werten“ und wäre der euroatlantischen „Integration Rumäniens“ nicht förderlich. Die beiden amerikanischen Politiker hatten sich bereits 1995 bei Ex-Präsident Ion Iliescu über die Glorifizierung des Hitler-Verbündeten Antonescu beschwert.
Ihr neuerlicher Vorstoß löste in Rumänien unterschiedliche Reaktionen aus. Vertreter der Regierungsparteien sprachen von ausländischen Erpressungs- und Einmischungsversuchen. Constantinescu selbst nannte das Unterfangen des Generalstaatsanwalts diplomatisch ein „delikates Problem“. In der Zeitung RomÛnia libera bezeichnete der Senator dann Amadeo Lazarescu Antonescu als „Erlöser Rumäniens“ und „populären Staatsmann“, der sich eigentlich der Deportation der Juden widersetzt habe. „Antonescu war ein authentischer Patriot wie Hitler“, hieß es in der Zeitung Ziua, die allerdings einräumte, daß Antonescu als Kriegsverbrecher eingestuft werden müsse.
Infolge des massiven Drucks aus dem Ausland machte der Generalstaatsanwalt einen Rückzieher und erklärte im Dezember, daß nur der frühere Staatssekretär Ghitulescu rehabiliert würde. In einer offiziellen Begründung hieß es, Ghitulescu habe der Regierung nur von April bis Mai 1941 angehört. Deshalb könne er nicht für die repressiven antijüdischen Maßnahmen haftbar gemacht werden. Für die Bürgerrechtlerin und Vorsitzende der Liga „Pro Europa“, Smaranda Enache, stellt die Rehabilitierung den Versuch dar, autoritäres, faschistoides und militaristisches Gedankengut wieder salonfähig zu machen. Unter dem Deckmantel des Antikommunismus würden faschistische Bewegungen und Vertreter eines rechtstotalitären Regimes demokratisch legitimiert. William Totok
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