: Kein Schein, kein Geld – oder doch?
Wenn die katholischen Schwangerenberatungsstellen keine Nachweise mehr ausstellen, könnten die Bundesländer ihnen die Zuschüsse streichen. Das hätte in jeder Region andere Folgen ■ Aus Berlin Bettina Markmeyer und Patrik Schwarz
Was würde ein Ausstieg der katholischen Kirche aus der Schwangerschaftskonfliktberatung für das Angebot an Beratungsstellen bedeuten? Wie reagieren die Länder? Die Fragen stellen sich nach der Entscheidung der Bischöfe, sich dem Papst zu beugen. Die Bischöfe wollen katholischen Beratungsstellen verbieten, einer Schwangeren den Nachweis über die Beratung auszustellen. Aber nur mit diesem Schein ist eine straffreie Abtreibung möglich.
Laut Schwangerschaftskonfliktgesetz müssen die Bundesländer ein flächendeckendes und wohnortnahes Angebot an Beratungsstellen bereithalten. Von Land zu Land sähe die Situation nach einem Ausstieg der Katholiken anders aus, aber in keinem würde das Beratungsnetz zusammenbrechen. Alle Länder erfüllen die gesetzliche Vorgabe, pro 40.000 EinwohnerInnen mindestens eine BeraterIn anzubieten.
Beispiel Niedersachsen: Immerhin 40 von insgesamt 274 Beratungsstellen werden hier von der katholischen Kirche getragen. Nach Angaben der Sprecherin von Frauenministerin Christina Bührmann (SPD) muß das Land 191 BeraterInnen garantieren. Es habe aber derzeit sogar 274. Landesweit würde ein Ausstieg der katholischen Kirche die Konfliktberatung also nicht gefährden. In katholischen Gegenden wie dem Emsland jedoch risse ein Ausstieg der Kirche zumindest vorübergehend Lücken in das Beratungsnetz. Den Frauen dort würden dann weite Wege zugemutet. In Bayern, im nordrhein-westfälischen Münsterland oder in bestimmten Gegenden von Baden-Württemberg wäre es ähnlich. Ganz anders die Situation in den neuen Ländern. In Sachsen befanden sich 1996 von 80 Beratungsstellen nur acht in katholischer Trägerschaft, die wiederum 500 von insgesamt 11.600 Konfliktberatungen leisteten. Ein Ausstieg der Kirche wäre für das Beratungsangebot des Freistaats irrelevant, so der Sprecher der sächsischen Staatsministerin für Gleichstellung, Karltheodor Huttner. Am ehesten würde die Kirche sich mit einem Ausstieg selbst schaden, meint der gebürtige Bayer. Stellten doch ihre Beratungsstellen den mühsamen Versuch dar, nach dem Ende der DDR mit sozialen Angeboten überhaupt wieder in der Gesellschaft präsent zu sein. Ähnliches gilt für Brandenburg (vier Caritas-Beratungsstellen von 50 landesweit), Mecklenburg-Vorpommern oder für Ostberlin.
Der komplizierteste Streitpunkt bei der Frage, was geschähe, wenn katholische Beratungsstellen keine Scheine mehr ausstellten, ist die Bezuschussung durch die Länder. An dieser Frage entzündet sich auch der politische Streit. Kein Schein, kein Geld, haben im Laufe dieser Woche die Frauen- und Gesundheitsministerinnen mehrerer Bundesländer erklärt. Gleiches war von PolitikerInnen fast aller Parteien, von FDP-Generalsekretär Westerwelle über SPD- und Grünen-PolitikerInnen bis hin zu Bundestagspräsidentin Süssmuth (CDU) zu hören. CDU-Generalsekretär Hintze erklärte lediglich, man werde am gültigen Abtreibungsrecht festhalten.
Das gültige Recht macht aber die staatliche Anerkennung und finanzielle Förderung von Beratungsstellen von der Ausstellung eines Nachweises über die Beratung abhängig.
Insofern können die Länder gar nicht anders, als den katholischen Beratungsstellen die Mittel für die Konfliktberatung zu entziehen, wenn diese keine Scheine mehr ausstellen. Wie das allerdings gehen soll, darüber herrscht keine Klarheit. Allein Hessen hat eine einfache Lösung: Die 150 Mark pro Konfliktberatung, die das Land zahlt, wurden den fünf Caritas-Büros im Bistum Fulda, die schon jetzt keine Scheine mehr ausstellen, gestrichen.
Die meisten anderen Länder bezuschussen die Beratungsstellen jedoch nicht pro einzelner Konfliktberatung, sondern prozentual – und zwar bezogen auf die gesamten Personal- und Sachkosten. In Bayern tragen der Freistaat und die Kommunen 80 Prozent der Kosten einer Beratungsstelle, in Sachsen trägt der Freistaat 90 Prozent, Nordrhein-Westfalen unterstützt die Beratungsstellen bei den Personalkosten.
Wenn nun die Länder die Zuschüsse für die Schwangerschaftskonfliktberatung streichen würden, begänne in den Beratungsstellen und den Ministerien das große Auseinanderdividieren. Denn nur jenen katholischen Büros, die ausschließlich Schwangerschaftskonfliktberatung betrieben hätten, könnten die staatlichen Zuschüsse komplett gestrichen werden. Das sind die wenigsten. Fast alle beziehen außerdem Gelder für Sexual-, Paar- oder Familienberatung. Und die bekämen sie auch weiterhin.
Vor diesem Hintergrund mutet es seltsam an, wenn der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Rudolf Hammerschmidt, gegenüber der taz die Überlegungen der Bundesländer mit den Worten kommentiert: „Das ist das Übelste, was man an Autoritätsmißbrauch tun kann!“ Nach seiner Ansicht kämen auf die Länder höhere Kosten zu, wenn sie Ersatz schaffen müßten für die katholischen Beratungsstellen. „Die werden sich noch wundern“, meint Hammerschmidt. Eine Prognose, die derzeit ebenso auf die katholischen Bischöfe zutreffen könnte.
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