: Albright: „Unsere Geduld ist am Ende“
■ Nach dem Treffen der US-Außenministerin mit ihrem russischen Kollegen Primakow wird ein Angriff auf den Irak immer wahrscheinlicher. Kinkel signalisiert Unterstützung für Militäraktionen – auch ohne Beschluß des Sicherheitsrates
Genf (taz) – Militärische Maßnahmen gegen den Irak ohne Mandat der UNO, aber möglicherweise unter Beteiligung der Bundeswehr werden wahrscheinlicher. Bundesaußenminister Klaus Kinkel schloß am Freitag eine „deutsche Unterstützung für militärische Aktionen“, die derzeit vor allem von den USA propagiert und vorbereitet werden, „nicht aus“. US- Außenministerin Madeleine Albright hat unterdessen weitere Widerstände gegen einen Militärschlag am Golf ausgeräumt. „Unsere Geduld ist am Ende“, sagte Albright nach einem Treffen mit dem russischen Außenminister Jewgeni Primakow in Madrid. Nun sei es an der Zeit, eine „grundsätzlich Entscheidung“ zu treffen. Primakow bezeichnete die Situation als „ziemlich ernst“, ohne sich – wie in den Tagen zuvor – deutlich gegen einen Militärschlag auszusprechen. Auch Frankreich schloß dies nicht mehr aus. Madeleine Albright wollte gestern über London in den Nahen Osten fliegen.
Kinkel hatte in Bonn zwar erklärt, zunächst sollten „alle diplomatischen und politischen Mittel“ zur Lösung der Krise „ausgenutzt werden“. Doch der Minister wollte militärische Maßnahmen ausdrücklich nicht abhängig machen von einem vorherigen Beschluß des Sicherheitsrates.
Der Völkerrechtsprofessor Jochen Frowien, Direktor des Max-Planck-Instituts, hält militärische Maßnahmen ohne einen derartigen Beschluß für „völkerrechtswidrig“. Auch Abgeordnete der Opposition kritisierten den Außenminister. Der SPD- Fraktionschef Scharping betonte, daß die Bundeswehr sich an einem Militärschlag „weder beteiligen darf noch beteiligen kann“. Helmut Lippelt (Bündnis 90/Die Grünen) forderte, Kinkel solle „unserem nächsten und wichtigsten Verbündeten dringend raten, Lösungen des Problems unterhalb der Schwelle eines demonstrativen Militärschlags zu finden und darauf bestehen, daß die USA nicht ohne erneuertes Mandat des Sicherheitsrates handeln“.
Die Türkei kündigte an, eine Militäraktion der Vereinigten Staaten gegen den Irak nicht zu unterstützen. Der stellvertretende Ministerpräsident des Nato-Staates, Bülent Ecevit, begründete dies mit den „schweren Konsequenzen für die Region und insbesondere für die Türkei im Falle eines militärischen Eingreifens“. Während des Golfkrieges hatte die damals von der Mutterlandspartei (Anap) von Regierungschefs Yilmaz regierte Türkei ihr Gebiet für Angriffe der Allianz gegen den Irak zur Verfügung gestellt. Zudem beteiligte sich Ankara am Handels- und Wirtschaftsembargo der UN und sperrte die Ölpipeline aus dem Irak zu Verladehäfen im Süden Anatoliens. Dadurch entstanden der Türkei große Einnahmeverluste.
Andreas Zumach Tagesthema Seite 3
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