: Iran findet Todesurteil normal
■ Deutschland über Verurteilung eines Deutschen wegen Beziehung zu einer muslimischen Iranerin "schockiert". Teheran nennt Proteste "unvernünftig". Jetzt soll Möllemann vermitteln
Davos / Teheran / Bonn (AFP/AP) – Mit dem iranischen Todesurteil gegen einen Deutschen haben die Beziehungen zwischen beiden Staaten einen schweren Rückschlag erlitten. Das Außenministerium in Teheran zeigte sich gestern erstaunt über die Proteste Bonns und bezeichnete es als „unvernünftig und ungerechtfertigt“, einen Zusammenhang zwischen dem Urteil und den bilateralen Beziehungen zu knüpfen. Das Verfahren werde „seinen normalen Verlauf nehmen“, hieß es weiter. Der Prozeß sei in vollkommener Übereinstimmung mit den iranischen Gesetzen abgelaufen. Der 56jährige deutsche Geschäftsmann Helmut H. wurde nach Angaben des Auswärtigen Amtes am vergangenen Montag im Iran in erster Instanz zum Tod durch Steinigen verurteilt, weil er sexuelle Kontakte zu einer Muslimin gehabt haben soll. Die Frau soll ausgepeitscht werden. Nach Angaben der Bild am Sonntag handelt H. unter anderem mit Textilien; im August sei er nach Teheran gereist und habe sich dort in eine 27jährige Medizinstudentin verliebt. Nachdem sich bei zwei richterlichen Untersuchungen herausgestellt habe, daß sie noch Jungfrau sei, habe die dritten Untersuchung ergeben, daß sie ihre Jungfräulichkeit verloren habe. Die Bestimmung des islamischen Rechts, wonach bei solchen Verfahren ein Geständnis und vier Zeugenaussagen vorliegen müßten – das alles fehlt in diesem Fall –, sei vom Richter mit der Begründung ausgesetzt worden, das islamische Recht gelte nur für Muslime.
Die Bundesregierung sei „schockiert“, sagte Bundesaußenminister Klaus Kinkel (FDP). Wenn das Todesurteil aufrechterhalten würde, werde das nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt auf völliges Unverständnis stoßen. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Jürgen Möllemann will heute zu einem viertägigen Besuch nach Teheran reisen.
Irans Außenminister Kamal Charrasi erteilte derweil beim Wirtschaftsforum in Davos dem „kritischen Dialog“ mit der Europäischen Union (EU) eine klare Absage. Nach einem Treffen mit seinem französischen Kollegen Hubert Védrine forderte er, die iranisch-europäischen Beziehungen sollten auf gegenseitigem Respekt beruhen. Debatte Seite 12
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen