: Architekt gegen Würfelspiele
■ Kölner Architekt Ungers gegen die Überlegungen des Bausenators und der Bahn AG, den prämierten Wettbewerbsentwurf rund um den Lehrter Bahnhof "per Handstreich" zu ändern
Die Überlegungen von Bausenator Jürgen Klemann (CDU) und Bahnchef Johannes Ludewig, die städtebaulichen Pläne rund um den Lehrter Bahnhof teilweise zu kippen, stoßen beim zuständigen Architekten Oswald Matthias Ungers auf Unverständnis. Es könne nicht sein, sagte der Kölner Architekt gestern zur taz, daß die Entwürfe für eines der „zentralen Bauprojekte per Handstreich einfach vom Tisch gefegt werden“. Sowohl die Umbauung des Humboldthafens als auch der Platz und der Hotelbau zwischen Spree und Lehrter Bahnhof bildeten ein Ensemble, das nicht geändert werden dürfte.
Ungers hatte 1994 den städtebaulichen Wettbewerb gewonnen. Dieser sieht vor, rund um den neuen Zentralbahnhof zwei Hochhäuser für Büros und ein Hotel zu errichten. Außerdem soll der Humboldthafen von mehrgeschossigen Häusern samt Arkaden eingerahmt werden. Bahnchef Ludewig und Bausenator Jürgen Klemann haben sich jetzt dafür ausgesprochen, daß die Pläne geändert werden. Insbesondere für den fast 50 Meter hohen „Hotelwürfel“ und die Gebäude am Humboldthafen soll nach „Alternativen“ gesucht werden, sagte Klemann.
Die Vorstellungen der Deutschen Bahn AG und des Bausenators erscheinen Ungers schon deshalb „unglaublich“, da in der Vergangenheit mit allen Beteiligten 32 Arbeitsrunden abgehalten wurden, in denen man die Pläne bereits konkretisiert habe. „Mit der Bahn und der Bauverwaltung“, betonte Ungers, „gab es auf den Sitzungen keinen wesentlichen Dissens.“ Mögliche Änderungen der Entwürfe seien dabei niemals ein Thema gewesen, so der Architekt. Der Vorstoß von Klemann und Ludewig sei auch darum „absurd“, da der Bebauungsplan (B-Plan) für das Areal kurz vor der Fertigstellung stehe und dieser auf der Grundlage der Wettbewerbspläne erarbeitet werde.
An einen neuen Wettbewerb für das Gelände, sagte gestern Klemanns Sprecherin Petra Reetz, werde im Augenblick nicht gedacht. Klar sei aber, daß die „völlige Zubauung des Hafens bedenkenswert ist“. Ohnehin fehle es an möglichen Investoren für die von Ungers vorgeschlagene Randbebauung. Im Konsens mit der Bahn befinde man sich auch bei der Überlegung, den Hotelbau anders zu gestalten. „Der Würfel könnte kleiner oder vor dem Bahnhof verschoben werden“, sagte Reetz.
Hintergrund der Umplanung ist, daß die Bahn AG den Hotelblock als Sichtbehinderung empfindet. Der Hochbau verstellt den Blick vom Parlamentsviertel auf den gläsernern Bahnhof. Umgekehrt behindert er die freie Sicht auf das Kanzleramt. Rolf Lautenschläger
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen