: Frust und Perspektivlosigkeit in Schulen
■ Im Schiller-Theater suchten LehrerInnen, SozialarbeiterInnen und die Jugendsenatorin Lösungen gegen die Gewalt an Schulen
„Man sollte in den Schulen wieder Boxsport einführen“, sagte Boxlehrer Werner Papke. „Wenn in jeder Turnhalle 20 Paar Boxhandschuhe hängen, dann traut sich da so schnell kein Fremder rein.“ Glücklicherweise war die Sicht der anderen TeilnehmerInnen am Montag abend im Schiller- Theater etwas differenzierter. Das Theater hatte zur Diskussion zum Thema „Schule gegen Gewalt“ geladen. Anlaß unter anderem: ein Vorfall an der Neuköllner Alfred- Nobel-Schule. Dort hatten schulfremde Jugendliche einen Schüler auf dem Schulhof verprügelt.
„Die Schule ist eher noch ein ruhiger Ort“, betonte die für Jugendgruppengewalt zuständige Hauptkommissarin Christine Burck und versuchte, das Ausmaß der Jugendgewalt realistisch darzustellen: „Die breite Masse der Jugendlichen ist nicht gewalttätig oder straffällig.“ Nur gut sechs Prozent der Jugendlichen unter 22 seien bei der Polizei registriert.
Schüler und Eltern beklagten, daß sich die PädagogInnen bei Prügeleien nicht einmischen, SchulleiterInnen Konflikte lieber unter den Teppich kehren, damit ihre Schule nicht in Verruf gerät. „Viele Lehrer wenden sich ab, verkriechen sich im Lehrerzimmer und wissen nicht, was draußen vorgeht“, kritisierte auch ein Reinickendorfer Gymnasiallehrer. Eine Kollegin gab zu: „Mit der Gewaltbereitschaft mancher Schüler kann ich nicht umgehen.“ Beim Streetworker-Verein Gangway rufen ratlose LehrerInnen an. „Sie suchen Unterstützung, weil sie sich mit ihrer Problemsicht an ihrer Schule nicht durchsetzen können.“
Viele Schulen aber sind längst aktiv. An der Max-Beckmann- Oberschule in Reinickendorf wird ein Konzept zur Deeskalation entwickelt. Dort werden gerade SchülerInnen in 15 Doppelstunden geschult, um künftig bei Konflikten vermitteln zu können. „Die Schüler sollen dann mit den beiden Parteien herausfinden, wie sie aus dem Konflikt wieder rauskommen“, so Lehrer Bernhard Lange.
Kommunikationsprobleme wurden im Schiller-Theater als eine Ursache von Jugendgewalt benannt, andere sind Frust und Perspektivlosigkeit: Mehr als 20 Prozent aller Berliner Jugendlichen unter 25 bekommen Sozialhilfe, haben weder Arbeit noch Ausbildungsplatz, sagte Gangway- Mitarbeiterin Berndt. „Das ist eine große Gruppe, die ausgegrenzt wird.“ Manche von ihnen, so ein anderer Gangway-Mitarbeiter, „versuchen, irgendwie an Kohle ranzukommen.“ Gewalttätig würden meist „Looser“, urteilte Thomas Martens vom Projekt Sport gegen Jugenddelinquenz, „die haben ein geringes Selbstwertge fühl und werden ausgegrenzt.“
Die Lösungsvorschläge waren so vielseitig wie die DiskussionsteilnehmerInnen: Sozialpädagoge Thomas Martens brachte Sportvereine ins Spiel, die Rapperin Aziza-A schlug vor, daß sich ältere Jugendliche um jüngere kümmern. Lehrerin Ute Schröder forderte mehr Geld für die Schularbeit, die Guardian Angels mehr Zusammenhalt. Sabine am Orde
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