Mast bei Mutti

■ Soul im Stil eines etwas zu opulenten Picknicks: Randy Crawford gastiert in der Musikhalle

Randy Crawford ist eine Künstlerin ohne Geheimnisse. Ginge es nach ihr, die Welt wäre ein einziges offenes Buch und ganz leicht zu lesen. Ihr selbst käme die Rolle des Epilogs, oder besser: die der Moral von der Geschicht zu. Denn das ist es, was die Sängerin aus Georgia am besten kann: zusammenfassen und sinnieren.

Inwieweit die Chanteuse in ihrer über zwanzigjährigen Karriere wirklich Eigenes zur Sprache gebracht hat, konnte bislang niemand so richtig klarstellen. Nicht, daß alle die Crawford lieben würden – dazu ist sie viel zu undramatisch und unspektakulär strukturiert. Entweder mag man sie oder sie geht einem herzhaft vorbei. Für Gefühlsausbrüche reicht ihr Repertoire nun wirklich nicht, und ernsthaft über sie zu meckern hieße, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Bei Randy Crawford bleibt alles im Maß, die Musikwelt übt sich in Stillstand. Und das betrifft Künstlerin wie Fans.

Konzerte von Randy Crawford sind wie ein zu lang geratenes Picknick: 90 Minuten Balladen, Zuckerwatte und Zahnpastalächeln. Aus der Mutter der Nation wird eine Mästerin des Schmuse-Soul. Ihre Liebeslieder gehen alle gut aus, immer siegt die Hoffnung, und das ganz in Weiß. Irgendwann sind alle Beteiligten nur noch satt und träge. Sicher, in ihren Songs brummt es vor Wärme und Zuversicht, und niemand wird je ernsthaft gebrüllt haben, daß eine solch großartige Stimme in die eigenen vier Wände eingesperrt gehöre.

Doch zuviel Wärme verbrennt nur unnötig Sauerstoff, und ganz tief drinnen, da herrscht bei Randy Crawford ein unerwartetes, aber enormes Mißverhältnis von Geben und Nehmen. Die 46jährige hat dem Soul bei weitem mehr entnommen als sie jemals hätte zurückgeben können. Gleich mit ihrem Debüt als Gastsängerin zum Crusaders-Hit Streetlife hat sie alles klargestellt – und sämtliches Stimmvolumen für alle Zeiten verballert.

Als trüge sie die Last der eigenen Leistung auf ihren Stimmbändern, klingen sämtliche Songs, als könne Randy Crawford niemals anders singen als so, wie sie esnun schon über zwei Dekaden tut. Als hätte sie damals eine Masterdisziplin absolviert, tut die Soulfrau so, als bräuchte sie für den Rest ihrer Zeit nur noch unverfänglich daherzuträllern. Ähnlich wie sich Marathonläufer nach getaner Arbeit in der Abendsonne auslaufen. Doch das ist ein einziger kitschiger Trugschluß, und letztlich schützt auch Seichtheit vor Schelte nicht. Denn ihr Super-Hit „Almaz“läßt sich nicht einfach so singen wie Coverversionen zu George Bensons „Give Me The Night“. Die sind Funk, Club-Kultur und Dancefloor, „Almaz“aber ist, wie so viele Lieder von Randy, Musik für Geschmacksmenschen.

Also: Randy, laß den Soul in Ruhe, er hat dir nichts getan!

Oliver Rohlf

Mo, 9. Februar, 20 Uhr, Musikhalle

Das Konzert ist restlos ausverkauft.