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■ Scherf, der Lauschangriff und die AußensichtBremen meldet sich auf der politischen Bühne zurück

Kein Marketing-Experte hätte sich so eine Kampagne ausdenken können: Seit Tagen füllt Bremen die Gazetten. Der Lauschangriff macht es möglich: Fotos einer Senatssitzung auf dem Titel der Welt, Scherf in den Tagesthemen, SPD-Chef Albers im Focus, Scherf im Zeit-Interview.

Vor der hanseatischen Provinzbühne, sonst oftmals herablassend belächelt, drängen sich die Journalisten wie seit den unseligen Zeiten des Vulkan-Dramas nicht mehr. Die Frage, ob des langen Henning Rücken hält oder ob Bremens Regierungschef einknickt, bewegt fast die ganze Nation.

Deutschland starrt gebannt auf die Meinungsfindung in einem kleinen Staatengebilde, dem noch vor wenigen Wochen nicht wenige am liebsten den Geldhahn zudrehen wollten.

Bremen hat sich politisch zurückgemeldet. In der Debatte um den Lauschangriff bringt sich der Stadtstaat wie selbstverständlich als integraler Bestandteil der föderalen Bundesrepublik in Erinnerung. Und siehe da: Kein Kommentator spricht den Bremern das Recht ab, das Zünglein an der Waage in einer heiklen politischen Entscheidung zu spielen. Häme unter dem Motto „Pleite sein, aber sich politisch wichtigmachen“, kommt nicht vor. Und wenn das auch nur daran liegt, daß die Presseleute Henning Scherf in seinem Kampf um ein Abhörverbot von Journalisten die Stange halten: Es kann nützlich sein, die Presse auf seiner Seite zu haben.

Henning Scherf transportiert in der Debatte, ob mit Vorsatz oder nur als Nebeneffekt, auch ein bestimmtes Bremer Image: Liberal, für bürgerliche Freiheitsrechte, unerschrocken auch gegen die große Übermacht. Bremens Plus an der PR-Front ist die Unentschlossenheit seiner Regierung. Kurios, daß kaum einer über die letztlich für die Entscheidung über den Lauschangriff ebenso relevanten Enthaltungen der rot-grün regierten Länder spricht. Das interne Ringen der Großen Koalition an der Weser gelangt dagegen vor die Augen der Welt.

Die Lauschangriff-Diskussion wird das Gewicht Bremens verändern. In den existentiellen Verhandlungen über weitere Sanierungsmilliarden aus Bonn und die Zukunft des Länderfinanzausgleichs steht plötzlich ein Stadtstaat da, dessen politische Daseinsberechtigung gerade eben eindrucksvoll belegt worden ist.

Henning Scherf sammelt auch innenpolitisch Punkte. Der Mann ist wer, denken die Menschen, auch wenn sie Scherfs Einwände in der Sache gar nicht teilen. Der Bürgermeister kann die Union genüßlich unter Druck setzen. Denn ein Scheitern der Koalition und Neuwahlen könnten die CDU aus ihrer nach langem Sehnen endlich erlangten Regierungsverantwortung spülen. Und ganz nebenbei macht Scherf eine Image-Werbung für Bremen, die weitaus wirksamer ist als sämtliche Anzeigenkampagnen.

Joachim Fahrun

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