: Image immer unter Spannung
■ Sportsponsoring in Hamburg. Damit ihr Bekanntheitsgrad steigt, investieren Firmen Millionen – bei Radrennen, Stadtmarathons oder anderen special events
Im Sport wird heutzutage viel Geld verdient. Herkömmliche Veranstaltungen ziehen jedoch schon lange nicht mehr. Events zählen. Jene speziellen Ereignisse, die, neudeutsch formuliert, „Kommunikationseffekte“nach sich ziehen. Ohne Sponsoren geht es meist nicht. Geschätzte zwei Milliarden Mark geben deutsche Unternehmen jährlich für den Sport aus – Tendenz steigend. Hamburger Firmen wie die Electricitäts-Werke (HEW), Shell oder Holsten spielen aber nur die zweite Geige.
Der Senkrechtstarter der letzten Jahre sind zweifellos die HEW. Als Hauptsponsor der Cyclassics unterstützen sie ein Radrennen mit einer weltweit einzigartigen Konzeption: Profis werden mit Hobbyrennfahrern auf die gleiche Strecke geschickt – wenngleich zeitlich versetzt. Zusätzlich gibt es noch eine Kurzstrecke für diejenigen, die wenigstens für 60 Kilometer einmal den Asphalt mit Tour-Sieger Jan Ullrich teilen wollen.
Auf dem Rad nach oben
Die Premiere 1996 machte das Rennen sofort zum zweitgrößten Sportereignis Hamburgs. Im vergangenen Jahr hatte die Veranstaltung mit einer halben Million Zuschauern den bis dahin führenden Hanse-Marathon überholt.
Vorigen September knallten bei den HEW wieder die Sektkorken. Die Cyclassics wurden für 1998 zum Weltcuprennen aufgewertet, dem einzigen auf deutschem Boden. Weltweite Medienpräsenz ist sicher. Pressesprecher Ulrich Kresse ganz hanseatisch: „Wir freuen uns sehr.“Aber dafür habe man schließlich auch „kräftig gebaggert“. Und das Schönste: Der Sponsoranteil betrage wie im vergangenen Jahr 400.000 Mark.
Ein Engagement im Radsport gilt unter Werbeexperten in traditionellen Radsportländern wie Frankreich oder Italien als hervorragende Möglichkeit, einen Markennamen überregional bekanntzumachen. Aber in Norddeutschland? Als 1995 die Entscheidung für die – in Hamburg – Randsportart Radfahren fiel, war das Engagement der Sponsoren nicht ohne Risiko. Die HEWler und die veranstaltende Marketingagentur Upsolut hatten jedoch den richtigen Riecher.
Der Energiefirma geht es darum, ihren Bekanntheitsgrad zu steigern. Der beträgt in Hamburg fast 100 Prozent, doch in einem Jahr beginnt der Wettbewerb mit anderen Energieversorgern. „Das zwingt uns, bundesweit bekannt zu werden“, so PR-Mann Kresse, „es geht um nationale Präsenz im Energiemarkt.“
Gratis-Werbung im Fernsehen
Ein wichtiger Stein im Strategiespiel sind die Cyclassics. Die Veranstaltung werde immer zusammen mit dem Firmennamen genannt, begeistert sich Kresse. Selbst bei der deutschen Tour-de-France-Berichterstattung sei das mehrmals im Zusammenhang mit einem Starttermin von Jan Ullrich passiert. „Wir hätten 1997“, so Kresse, „über drei Millionen Mark ausgeben müssen, um in den Medien so präsent zu sein wie durch die Cyclassics.“Immerhin das Achtfache des Einsatzes.
Nicht berechnen läßt sich der Imagegewinn. Neben der hervorragenden Einzelleistung, die die Stars erbringen, sei die Mannschaftsleistung ins Blickfeld gerückt, heißt es bei Upsolut. Reiner Personenkult ist im Sportsponsoring hingegen out. Zu hoch ist das Risiko, sich auf einen Star zu kaprizieren, der womöglich wegen privater Eskapaden schnell wieder abstürzt. Teamfähigkeit ist wichtig. „Radfahren paßt zu den HEW“, findet Upsolut-Projektleiter Frank Bertling. Der Radsportexperte hat nicht nur die HEW vertraglich für drei weitere Jahre gebunden, sondern bastelt auch an einer zweiten deutschen Profimannschaft der ersten Kategorie.
Das Engagement des Ölgiganten Shell im Sportsponsoring ist hingegen eher bescheiden. Für den Shell-Marathon gibt die deutsche Konzernzentrale – Sitz: City-Nord – zwar einen sechsstelligen Betrag aus, doch kränkelt die Massenveranstaltung seit Jahren an mangelnder sportlicher Klasse. Die Laufprominenz kommt nicht. Für ein rein regionales Ereignis ist das zu teuer. Zudem ist der Imagetransfer vom Individualsport im Extrembereich zu Erdölprodukten nicht ohne Umwege nachzuvollziehen.
Da hat es Udo Franke, Pressesprecher der Holsten Brauerei, leichter: „Es muß eine Bieraffinität zum Ereignis geben. Dann ist Sponsoring für uns interessant.“
Affinität zum Ereignis wichtig
Holsten ist Hamburgs größter Sportsponsor und engagiert sich „im Millionenbereich“. Gemäß der firmeneigenen Affinitätsformel sind die Bierbrauer beim Fußball (FC St. Pauli) und Eishockey (Hamburg Crocodiles) dabei. Pferdesport in Flottbek (Springderby) und Horn (Galoppwoche) ist eher Tradition als Hoffnung auf Bierseligkeit.
Holstens Marketingstrategie ist nüchtern-pragmatisch und hebt sich vom Lifestylegerede der übrigen PR-Strategen ab. Um von Holsten angesprochen zu werden, braucht es weder einen trainierten Körper noch die kostenspielige Ausrüstung einer Trendsportart. „Unsere Zielgruppe sind junge Erwachsene, die Bier zum Sport trinken.“Fertig. Jörn Iken
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