„Es kommt vor, daß eine Faust meine Backe trifft“

■ Die Füssenerin Manuela Gröger über ihren Olympia-Einsatz als Eishockey-Hauptschiedsrichterin und ihre Erfahrungen in einer Männersportart, in der Streitfragen häufig zu physischem Kontakt führen

taz: Frau Gröger, Sie kommen doch bestimmt aus einer Eishockey-Familie?

Gröger: Ja, stimmt. Mein Vater war Schiri, mein Bruder hat's auch mal zwei Jahre versucht. Meine Brüder und meine Eltern haben alle Eishockey gespielt, mein Bruder sogar bis zur 2. Liga. Und natürlich meine ganzen Cousins.

Einer dieser Cousins ist auch in Nagano dabei.

Stimmt, mein Cousin Thomas. Der ist als Doktor der A-Nationalmannschaft der Männer mit in Japan. Wir sind halt schon alle recht eishockeybesessen.

Wie haben Sie's geschafft?

Es ist ein langer Weg. Viele Seminare, viele Turniere, viel Erfahrung sammeln. Die Vornominierung für Olympia war schon im Oktober. Später war ich beim Abschlußseminar in Lake Placid, danach kam das Fax.

Sie sagen, „viel Erfahrung“ werde gefordert. Sie sind erst 29.

Ich pfeife schon seit zehn Jahren und habe vorher zehn Jahre in Füssen Eishockey gespielt. Als ich zum Deutschen Eishockey-Bund kam, war ich die zweite Schiedsrichterin Deutschlands. Seit sieben Jahren pfeife ich 2. und 1. Liga Männer und internationale Frauenturniere. Vor vier Jahren hab' ich als Linesman, oder sagen wir lieber Lineswoman, ein WM-Finale gepfiffen und zuletzt bei der WM das Halbfinale zwischen Finnland und Kanada als Hauptschiedsrichterin.

Wie war's?

Das war schon toll. Kanada hat 28 Sekunden vor Schluß noch das 2:1 geschossen.

Der Alltag ist vermutlich nicht immer toll. Nirgendwo werden Schiedsrichter mehr beschimpft als im Eishockey.

Von Zuschauern bekommt man hin und wieder schon einige deftige Sachen zu hören. Das ist nun mal so.

Was sagen die?

Na ja, wenn ich unten auf dem Eis stehe, höre ich auch vieles nicht. Wichtig ist mir, daß die Spieler unsere Leistung zu schätzen wissen. Und das ist häufig der Fall. Wenn da mal harte Worte fallen, kommen die meisten auch nach Ende des Spiels und entschuldigen sich.

Was ist mit den üblichen Vorurteilen?

Na klar gibt es Vorurteile, aber die Männer wissen inzwischen auch, daß ich pfeifen kann und daß ich mich auch durchzusetzen weiß.

Auch wenn es zur Sache geht?

Es geht mitunter schon hoch her, gerade in der 1. Liga, wenn so ruppige Spiele sind. Eine blaues Auge direkt hab' ich mir noch nicht eingefangen.

Aber?

Daß mal eine Faust blind durchgeht und meine Backe trifft statt die des Gegners, das kommt schon mal vor.

Haben Sie eine spezielle Nahkampfausbildung?

Nein. Aber da hilft mir natürlich die Erfahrung schon ein gutes Stück weiter. Am Anfang geht man halt mal unkontrolliert in eine Auseinandersetzung rein, und es kann dann schon sein, daß du recht schnell auf der Nase liegst, und die Burschen schlägern immer noch weiter. Aber mit ein wenig Erfahrung geht das alles.

Wie schlichten Sie?

Die Absprache mit dem Kollegen ist wichtig, und dann schirmen wir uns gegenseitig ab. Einer versucht dann, die von hinten wegzuziehen. Wenn die schon auf dem Eis liegen, ist das noch einfacher als wenn sie noch stehen.

Passieren Ihnen auch Mißgeschicke?

Da gibt es schon hin und wieder komische Dinge. Wenn ich z.B. beim Bully versehentlich den Puck nach hinten werfe. Oder vor kurzem in Peiting: Da hat's mich dreimal im ersten Drittel hingeschmissen — ohne Fremdeinwirkung.

Und?

Da hab' ich mir schon gedacht, wenn das im zweiten und dritten Drittel so weitergeht, gehe ich vom Eis. Aber da mußt du dich dann einfach durchbeißen. Interview: Klaus Wittmann