: Vorlesungen mit Werbeblock
An der Freien Universität gibt es jetzt auf 150 Tafeln Werbung. Einnahmen sollen die FU-Kasse aufbessern. Was der einen Freud ist, hängt für andere ziemlich fehl am Platz ■ Von Kerstin Marx
Sie sind bunt, sie haben Postergröße, und mit Slogans wie „Endlich mal 'ne geile Vorlesung“ werben sie vor allem um die Aufmerksamkeit der Studierenden: 150 Werbetafeln hat das Präsidialamt der Freien Universität (FU) zum Jahresanfang in den Fluren und Gängen von Rost- und Silberlaube, Universitätsbibliothek, Osteuropa-Institut und anderen Fachbereichsgebäuden anbringen lassen. Durch die Vermittlung von zwei Agenturen können private Unternehmen jetzt auch an der Uni werben.
„Wir freuen uns über jede Mark“, erklärt Uwe Meising von der Zentralen Universitätsverwaltung. Angesichts der angespannten Lage im Finanzbereich müsse man an der FU über neue Konzepte nachdenken – und sei daher auf die Angebote der beiden Werbeagenturen eingegangen.
Die Anzeigenflächen sollen zusätzliche Einnahmen bringen – neben Getränkeautomaten, Vermietung von Räumen und Firmenwerbung auf Rückmeldebögen oder Bibliotheksformularen. „Vielleicht“, hofft Meising, „können wir dadurch ein oder zwei wissenschaftliche Stellen finanzieren.“
Beim FU-Präsidium gibt man sich zuversichtlich. Die Resonanz von Firmenseite sei positiv, berichtet Pressesprecherin Felicitas von Arentin, und die Tafeln seien bereits vollständig vermietet. Die Kommentare von Studierenden, Lehrenden und Angestellten sind dagegen gemischt: Von „die Plakate machen den Alltag einfach bunter“ bis zu „das nervt!“ reicht die Palette der Meinungen.
Alexis (23) studiert Rechtswissenschaften. Grundsätzlich begrüßt er die neuen Finanzierungsmöglichkeiten – „solange es nicht ausgerechnet um Zigaretten geht“. Die Dame vom Pressearchiv des Otto-Suhr-Instituts dagegen winkt ab. Als „absolut unästhetisch“ kritisiert sie die Plakate im frisch renovierten Gebäude, an denen sie auf dem Weg zum Arbeitsplatz vorbeieilt.
Genau wie Janice (24) und Monika (25) vom Fachbereich Germanistik meint sie, daß Werbung an der Universität nichts zu suchen habe: „Wir sind sowieso schon viel zu werbebeeinflußt.“ Eine Personalrätin der FU läßt ihre Phantasie noch ein bißchen weiter spinnen: „Wenn das so weitergeht, dann tragen wir in zehn Jahren alle Mützen von McDonald's“. Die amerikanische Gaststudentin Jill (27) kann über die Ablehnung von Werbung nur schmunzeln. In den USA ist Werbung auf dem Campus seit langem üblich.
Uwe Meising verweist da lieber auf die positiven Erfahrungen, die andere bundesdeutsche Hochschulen bereits mit den Anzeigenflächen gemacht haben. Mit der Werbung sei es sowieso so eine Sache: „Entweder man liebt sie, oder man mag sie gar nicht.“ An der Universität sind wie in jedem öffentlichen Gebäude bestimmte Auflagen des Senats zu erfüllen. Plakate für Alkohol und Nikotin, für politische Parteien und für religiöse Gruppen sind nicht erlaubt. Und auch nicht solche, „die gegen die guten Sitten verstoßen könnten“.
Für FU-Mitarbeiter Meising sind die Unterschiede zwischen den Anzeigen im Universitätsbereich und denen auf Litfaßsäulen und U-Bahn-Wagen gering. Doch für andere liegt genau hier das Problem. Denn durch die Werbung, so argumentieren sie, würden die Grenzen zwischen öffentlichem und privatem Raum vermischt. „Als Ökonomin bin ich natürlich grundsätzlich für Werbung“, erklärt Waltraud Schelkle, wissenschaftliche Assistentin am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften. „Aber es gibt bestimmte Formen, die nicht an die Universität als öffentliche Einrichtung gehören. Unser Institut ist doch kein Warenladen.“
Die Wirtschaftswissenschaftlerin begrüßt die Kooperation zwischen Privatwirtschaft und Universität, doch sie möchte sie lieber wie gehabt auf Bücherspenden oder etwa das Renovieren von Seminarräumen beschränkt sehen. Auch da könnten Spender und Sponsoren schließlich namentlich vermerkt werden.
An der Technischen Universität (TU) und an der Humboldt-Universität (HU) existieren bislang keine vergleichbaren Projekte. Allerdings seien auch an der HU bereits seit Monaten Überlegungen bezüglich Fremdwerbung im Gespräch, so Pressesprecherin Susann Morgner.
Angebote von Werbeagenturen gab es, aber die wurden abgelehnt: Der Eigennutzen war im Verhältnis zur Fremdwerbung zu klein, das historische Universitätsgebäude wurde als solches nicht berücksichtigt, und ein wirklich auf die Universität abgestimmtes Konzept fehlte. „Wir wollten den Gesamteindruck nicht verschandeln.“ Neue Angebote werden jetzt geprüft.
Ob sich an der Freien Universität die Einführung der Werbetafeln rentiert, wird sich gegen Jahresende zeigen. Dann, so Uwe Meising, dürfen erste Erfahrungswerte vorliegen.
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