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Keine Beweise für Vergewaltigung auf dem Schulklo

■ Vier Jungen, die eine neunjährige Mitschülerin vergewaltigt haben sollen, werden von einem Londoner Gericht freigesprochen. Kinderschutzorganisationen kritisieren das Gerichtsverfahren

Dublin (taz) – Die vier Angeklagten, die in dieser Woche vor dem Londoner Schwurgericht Old Bailey standen, waren zehn und elf Jahre alt. Sie wurden beschuldigt, im vergangenen Mai eine neunjährige Mitschülerin während der großen Schulpause auf der Jungentoilette vergewaltigt zu haben. Vorgestern sprach die Richterin sie aus Mangel an Beweisen frei.

Als das Mädchen bei der Polizei ihre Aussage gegen die vier Mitschüler gemacht hatte, sprach sie zunächst nur davon, daß die Jungen sie dazu gezwungen hätten, sich auszuziehen. Erst viel später erwähnte sie dann die Vergewaltigung – auf Suggestivfragen der Polizistin, so entschied die Vorsitzende Richterin. Kinderschutzorganisationen haben das Verfahren scharf kritisiert: Kinder gehörten nicht vor den Old Bailey, sondern vor ein Jugendgericht, sagte Carolyn Hamilton vom Kinderrechtszentrum. Die Strafmündigkeit liegt in England und Wales bei zehn, in Schottland bei acht Jahren. Zwar hatten die Richterin und die Anwälte ihre Perücken abgenommen und den Prozeß häufig unterbrochen, doch Hamilton glaubt, daß die einschüchternde Atmosphäre sowohl den Angeklagten als auch dem Opfer schade. Kinder könnten sich nicht lange genug konzentrieren, um dem Verfahren zu folgen, sagte Hamilton. Man könne auch in einer kinderfreundlicheren Umgebung zu einem gerechten Urteil kommen.

Das Mädchen, das seine Aussage über eine Videoverbindung machte, brach dabei mehrmals in Tränen aus und rief nach ihrer Mutter. Die Neunjährige hat in ihrem Leben bereits viel mitgemacht. Ihre Mutter hat acht Kinder von drei verschiedenen Vätern. Als sie nach London zog, ließ sie das Mädchen zunächst bei der Großmutter in Jamaica zurück. Dort wurde das Kind von einem Nachbarn vergewaltigt. Als die Mutter sie schließlich nach London holte, war sie schwer traumatisiert. Weil ihre Mutter ihr die Vergewaltigung in Jamaica nicht glaubte, versuchte das Mädchen dreimal vergeblich, das Haus anzuzünden. Beim vierten Mal brannte es bis auf die Grundmauern nieder.

Das Mädchen kann bislang weder lesen noch schreiben. In der Schule war sie häufig laut und aggressiv und wurde deswegen von den Lehrern zweimal vorübergehend vom Unterricht ausgeschlossen.

Die Grundschule ist aber nicht nur für schlechte Leistungen berüchtigt, sondern auch für häufige Zwischenfälle sexueller Art. Viele Eltern haben ihre Kinder inzwischen abgemeldet, zum Ende dieses Schuljahres im Sommer muß die Schule schließen. Ralf Sotscheck

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