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■ Brandenburg: Landesregierung will 20.000 Alleebäume fällenDie Straßen frei

Pflanze oder Mensch – das scheint hier die Frage. Weil in Brandenburg Tag für Tag ein halbes Dutzend Autos gegen einen Baum fährt, sollen Tausende von Platanen, Linden, Ahorn- und Kirschbäumen gefällt werden. Die Alleen, bundesweit als Markenzeichen der märkischen Landschaft gepriesen, seien Schuld am Tod insbesondere von jungen Leuten, heißt es. Hätten die Bäume nicht am Straßenrand rumgestanden, wären eine ganze Reihe Brandenburger nicht gestorben.

Doch die Alternative Mensch oder Baum ist falsch. Sie suggeriert, daß sich die beiden Arten in einem unausweichlichen Überlebenskampf befinden. Im Gegensatz zum Baum hat der Mensch jedoch Handlungsalternativen. Er kann langsamer fahren, auf Alkoholkonsum verzichten oder einen Bus benutzen. Und wenn die Fahrer unfähig oder unwillig sind, sich den gegebenen Umweltbedingungen anzupassen, dann sollten Politik und Polizei nachhelfen: mit Radarkontrollen sowie saftigen Strafen für zu schnell fahrende oder besoffene Fahrer.

Dabei darf die Ursache der insbesondere am Wochenende stattfindenden Raserei nicht vergessen werden: Imponiergehabe. Das sich auf diese Weise vorwiegend bei Männern ausdrückende Bedürfnis nach Anerkennung ist ernst zu nehmen. Drohende Impotenz durch Führerscheinentzug kann dessen Ausleben hinterm Steuer jedoch ebenso entgegenwirken wie weibliche Begeisterung für knackige Radlerbeine.

Der Weg, den die Landesregierung in Potsdam einschlägt, konserviert dagegen ein Verhalten, das nicht nur Brandenburgs Bäume, sondern auch andere Verkehrsteilnehmer gefährdet. Sind die Straßenränder erst mal abrasiert, werden die Leute nur um so schneller fahren – schon um die Umwelt zu beeindrucken. Ob die Zahl der Toten sinkt, ist deshalb keineswegs sicher.

Außerdem gibt es ja noch weitere Gefahren für die Raser. So müßten möglichst alle Rehe und Kaninchen angeleint oder am besten ganz abgeschafft werden. Auch Kinder sind prinzipiell von allen Straßenrändern fernzuhalten. Das Ideal, das dahinter steht, ist eine Landschaft ohne jedes Hindernis – am besten eine völlig asphaltierte, topfebene Fläche ohne Lebewesen. Doch selbst das würde nicht das Ende aller Unfälle bedeuten. Ohne freiwillige oder erzwungene Verhaltensänderungen werden Politiker und Bürger stets die Erfahrung des Hasen beim Wettlauf gegen den Igel machen: Es hat schon gekracht. Annette Jensen

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