Warten während der Krebs wuchert

■ Krebspatienten müssen wochenlang unter Schmerzen auf heilsame Strahlenbehandlung verzichten / In Bremens Krankenhäusern gibt es zuwenig Bestrahlungsgeräte

Im Sankt Josefstift kam die Diagnose: Knochenmetastasen im rechten Arm. Für Petra Rosendorfer* war das im Jahr 1995 der Beginn, nein: die Fortsetzung der Leidensgeschichte Krebs, die fünf Jahre zuvor mit Brustkrebs begonnen hatte. Zwei Operationen, die Entfernung der Brust. Bestrahlungen. Und nun diese Schmerzen im Arm. „Sehr, sehr starke Schmerzen“, so die Bremerin, die ins Sankt-Jürgen-Krankenhaus überwiesen wurde, wo die Bestrahlungsgeräte stehen. Aber dort ließ man sich mit der Behandlung Zeit. Eine Woche, zwei, drei, fünf Wochen mußte sie warten. Wie ihr ergeht es Dutzenden von Krebskranken in Bremen und Bremerhaven.

„Wissen Sie, was das heißt? Das Leben mit den unerträglichen Schmerzen? Und dann das Gefühl, eigentlich interessiert das keinen.“Daß sie nicht die einzige Patientin war, die auf die Wartebank gesetzt wurde, erfuhr sie erst viel später. Wie gefährlich die Verzögerung war, hörte sie erst, als sie sich in Heidelberg noch einmal untersuchen ließ: Nicht nur im Arm hatte sie Metastasen. „Noch ein paar Wochen und Sie wären heute querschnittsgelähmt.“Als „die Lymphe jüngst wieder Probleme machten“, ging die 47jährige gleich nach Heidelberg – eine Lösung für den Einzelfall, aber nicht für das Problem in Bremen.

Seit Jahren warten hier Krebspatienten sechs Wochen und länger auf eine Strahlenbehandlung. In ganz Bremen gibt es nur vier Geräte. „Wir haben sei Jahren Wartelisten“, bestätigt Professor Habermalz vom Sankt-Jürgen-Krankenhaus. „Für manche ist eine Wartezeit von vier Wochen völlig unschädlich – bei anderen sind zwei Wochen zu lang.“

An die Öffentlichkeit ging jetzt Bremerhavens grüne Stadtverordnete im Krankenhausausschuß, Petra Brand. Denn hier ist Lage noch schlimmer. Seit vier Monaten muß die Stadt mit einem einzigen Bestrahlungsgerät auskommen. Das zweite mußte wegen Überalterung abgeschafft werden. Wir sind völlig unterversorgt, so der Chefarzt der Radiologie im Zentralkrankenhaus Reinkenheide, Halim Aydin. „30 Patienten stehen akut auf der Warteliste.“In Süddeutschland dürften Radio-Onkologische Stationen mit nur einem Bestrahlungsgerät gar nicht aufmachen: „Vor einer Woche“, so Aydin, „fiel das einzige Gerät auch noch aus.“Eine Unterbrechung der Behandlung sei oft schlimmer, als gar nicht anzufangen. Nach Bremen konnteman die Leute nicht überweisen: „Die Geräte sind nicht kompatibel.“

Verantwortlich für die Situation macht Brand den Verwaltungsdirektor des städtischen Eigenbetriebs Reinkenheide, Holger Richter. Der sagt: „Im Spätsommer haben wir ein neues Gerät.“

Mitzureden hat da Wilfried Bolles, Leiter der Abteilung Krankenhauswesen im Gesundheitssenat. Das Land nämlich müßte ca 300.000 Mark des 1,1 Millionen Mark teuren Bestrahlers tragen. Doch der weiß von nichts. „In den letzten anderthalb Jahren habe ich in dieser Sache nichts mehr von Herrn Richter gehört.“Von den politischen Unruhen in Bremerhaven schon. Und auch – über Umwege –, daß Herr Richter jetzt vielleicht mit Bolles sprechen will.

In Bremen, übrigens, droht die angespannte Situation nun auch umzukippen. Ende dieses Jahres werden zwei der vier Bestrahlungsgeräte abgeschafft, nachdem ihre Betriebsgenehmigung jetzt trotz Überalterung nochmals um ein halbes Jahr verlängert wurde. ritz

(*Name geändert)