■ DDR-Kunst: Dürfen Bilder von Heisig im Reichstag hängen?: Begrenzbarer Schaden
Es gibt in der Tat gute Gründe, den Maler Bernhard Heisig nicht zu mögen. Es handelt sich dabei um ästhetische Gründe. Sein vom späten Lovis Corinth herkommender Postimpressionismus, verschnitten mit etwas spätem Otto Dix, gilt vielen rechtens als fad. Der sehr allgemeine Allegorismus, dem er sich hingab, ebenso wie die anderen Heroen der Leipziger Schule, war derart vieldeutig, daß er sich ebenso als Affirmation begreifen ließ wie als heimliche, umsatzförderliche Kritik.
Wem die zweifelhafte Ehre zufiel, einen der repräsentativen Schinken für Erich Honeckers scheußlichen Palast der Republik zu liefern, muß sich den Titel eines DDR-Staatskünstlers gefallen lassen. Der bevorstehende Einzug des nämlichen Malers in den Palast der Berliner Republik, also den Reichstag, macht ein ungutes Gefühl, wie es bei Carlfriedrich Claus nie aufkommen wird.
Es wäre weiser gewesen, aus den Reihen der vormaligen DDR-Künstlerschaft jemanden wie Hermann Glöckner oder Willy Wolff zu wählen, oder möchte man mit Heisig die Kontinuität des Opportunisten als Künstler, des Künstlers als Opportunisten empfehlen? Die muß nicht empfohlen werden. Sie stellt sich von selber her. Der Kunstbeirat des Deutschen Bundestages hatte wohl auch anderes im Sinn: Er ist auf Repräsentativ-Vorbildliches aus.
Von daher läßt sich dann nachvollziehen, wenn in Sachen Heisig und Reichstag ein nachdrückliches Gemurr ausbrach, und jemand wie Christoph Tannert, der offenbar Initiator, jedenfalls Sprecher jener Initiative ist, die sich in einem offenen Briefes äußert, darf hohen Sachverstand beanspruchen. Daß alles nun gleich wieder in Forderungen mündet, die einem Boykott zum Verwechseln ähnlich sehen, wirkt gleichwohl fatal.
Dieser Text wird, reiner Zufall, an Brechts 100. Geburtstag geschrieben. Gleich fühlt man sich an den Brecht-Boykott der sechziger Jahre erinnert, dessen Hauptleidtragende die Boykotteure selber waren: Sie schlossen sich von einem Teil der damals erheblichen Ästhetik aus. Der stockkonservative Bildungsminister eines stockkonservativen Bundeslandes, mit dem Brecht-Boykott damals gewiß innig einverstanden, hält, nunmehr Bundespräsident geworden, an diesem Abend den Festvortrag für den DDR-Staatskünstler Brecht.
Dessen ästhetisches Talent (für Opportunismus erfand er das angenehmer klingende Wort „List“) ist wahrscheinlich etwas höher zu veranschlagen als das von Bernhard Heisig. Der Boykott beträfe jetzt auch bloß einen einzelnen, wiewohl hochbedeutsamen Ausstellungsort. Am Ende fällt die Sache bloß auf den Kunstbeirat zurück, der sich weder ästhetisch noch moralpolitisch als besonders sattelfest erwies. Schon aus Trotz, denke ich, wird man Heisig im Reichstag dennoch aufhängen wollen.
Der Schaden ist begrenzbar. Ein Bild läßt sich bekanntlich wieder entfernen. Rolf Schneider
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