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■ QuerspalteDie Adler-Affäre

Achten Sie mal darauf bei den Ski-Übertragungen aus Nagano in den nächsten Tagen. Immer wenn gerade mal wirklich nichts passiert, wird sich der Reporter zu retten versuchen mit einer flammenden Eloge auf „die vielen, vielen Helfer“, die die Schanze, Piste oder Loipe tipptopp „präpariert“ hätten. Kaum jemand würdigt dagegen die Arbeit jener Bonner Ministeriums-Beamten, die Überstunden machen müssen, damit bei Olympia alles funktioniert.

Am vergangenen Sonnabend um zwölf Uhr zum Beispiel mußten einige von ihnen im Innenministerium hocken und das Eishockey-Spiel zwischen Deutschland und Japan verfolgen, obwohl sie sich doch lieber daheim bei Muttern frische Brötchen einverleibt hätten. Die Diensthabenden bekamen dabei einen Schock, den sie so schnell nicht vergessen werden: Auf den Trikots der deutschen Spieler, das bemerkten die mit Adleraugen gesegneten Ministeriellen schnell, prangte ein Bundesadler, der erstens zu groß war und zweitens auch noch in die falsche Richtung guckte!

Tags darauf bekamen die Kufen-Cracks zwar Jerseys mit dem richtigen Vogel drauf, doch schon am Montag ging, kaum war die Ehre der Nation halbwegs wiederhergestellt, das Drama weiter. Die Adler-Affäre machte den Spielern mental derart zu schaffen, daß sie – trotz korrekten Enblems – mit 2:8 gegen Weißrußland eingingen. Weißrußland!

Die Schuldfrage ging bei diesem Debakel gleich mit unter. Gibt es unter deutschen Eishockey-Funktionären etwa zersetzende Elemente? Hatten ehemalige Stasi-Mitarbeiter ihre Finger im Spiel? Oder ist allein die Ausrüsterfirma Nike verantwortlich? „Es tut uns leid. Die Embleme sind bei der Vervielfältigung spiegelverkehrt kopiert worden“, behauptet eine Konzern-Sprecherin. Schlimm genug, daß eine Firma aus Oregon, die gern spottbillig in Südostasien produziert, überhaupt unsere Eishockey-Jungs einkleiden darf. Hoffen wir, daß ein Untersuchungsausschuß des Bundestages alle offenen Fragen schonungslos klärt. René Martens

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