piwik no script img

Serben mauern in Sarajevo

Mit dem Bau einer Mauer durch den Stadtteil Dobrinja protestieren wütende Serben gegen die Verhaftung des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Goran Vasić  ■ Aus Sarajevo Erich Rathfelder

Im Kreis von mehreren hundert Menschen wurde gestern kurz vor 14 Uhr Mörtel auf die Straße gekippt. Einem kleinen Jungen war es vorbehalten, den ersten Stein zu setzen. Dann nahmen Maurer die Dinge in die Hand. Und innerhalb weniger Minuten wuchs eine mehrere Meter lange Mauer auf eineinhalb Meter Höhe an. Die Mauer soll den in einen serbisch und einen bosniakisch kontrollierten Teil zerfallenden Stadtteil Dobrinja, der in der Nähe des Flughafens liegt, trennen.

Die gegenüber ausländischen Journalisten und Anwohnern feindselige Menge protestierte nach Auskunft ihres Sprechers, dem Vorsitzenden des Aktionskomitees, Dragan Savić, damit gegen die Verhaftung des mutmaßlichen serbischen Kriegsverbrechers Goran Vasić. Dieser war am vergangenen Freitag von einer Spezialeinheit in Sarajevo festgenommen worden. Ihm wird vorgeworfen, im Januar 1993 den ehemaligen stellvertretenden Premierminister Hakija Turajlić bei einer Kontrolle eines UN-Fahrzeuges erschossen zu haben. Der Vorfall hatte großes Aufsehen erregt, weil ein französischer Offizier bereitwillig die Tür des UN-Fahrzeuges geöffnet und damit den Mord ermöglicht hatte.

Nach den Worten des Sprechers des Aktionskomitees fordert die serbische Seite die sofortige Freilassung von Goran Vasić. Er soll den Behörden der Republika Srpska überstellt werden. „Wir werden jeden Tag weiter an der Mauer bauen, bis unsere Forderung erfüllt ist.“ Goran Vasić sei widerrechtlich von den Polizeikräften der bosniakisch-kroatischen Föderation verhaftet und geschlagen worden. Den Haag habe bisher keinen Haftbefehl erlassen.

Am Ort des Geschehens waren gestern mehrere gepanzerte Fahrzeuge der SFOR-Friedenstruppen aufgetaucht, dazu US-amerikanische Militärbeobachter und der Chef der internationalen Polizei in Sarajevo, IPTF, Werner Schumm. Bisher wurde nichts unternommen, um den Bau der Mauer zu stoppen. Die internationalen Beobachter äußerten Verständnis für die Protestierenden, da die Verhaftung Vasićs nicht nach den Regeln Den Haags verlaufen sei. „Bisher handelt es sich lediglich um eine symbolische Aktion“, erklärte Werner Schumm.

Anders sahen dies die bosniakischen Anwohner des Stadtteils. „Denen geht es gar nicht um Goran Vasić, die Extremisten in Pale wollen den gesamten Friedensprozeß stören. Sie wollen keine gemeinsame Flagge, keine gemeinsamen Autokennzeichen und keinen gemeinsamen Staat“, erklärten einige der Zuschauer. Das alles sei aus Pale gesteuert. Unterdessen war die Mauer durch Sarajevo um einige Meter länger geworden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen