Kein Flugschein für Flüchtlinge

Bundesverfassungsgericht will sich nicht mit der Regelung befassen, die Airlines die Beförderung von Flüchtlingen unter Androhung von Zwangsgeldern verbietet  ■ Von Christian Rath

Freiburg (taz) – Gegen Fluggesellschaften, die Ausländer ohne Paß oder Visum nach Deutschland befördern, dürfen weiterhin Zwangsgelder in Höhe von 2.000 bis 5.000 Mark pro Person verhängt werden. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Berlin hatte 1992 diese Regelung im Ausländergesetz für verwassungswidrig gehalten und das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) um Klärung gebeten. In einem gestern veröffentlichten Beschluß lehnte Karlsruhe die Richtervorlage jedoch aus formalen Gründen als „unzulässig“ ab.

Die beiden Fluggesellschaften Air France und Air India hatten das Verfahren ausgelöst, indem sie auf Rücknahme der gegen sie verhängten Bußgelder klagten. Sie hatten mehrfach indische, srilankische und iranische Asylbewerber ohne Aufenthaltserlaubnis ins Land gebracht. „Die Aufgabe einer Fluggesellschaft ist es, Fluggäste mit gültigem Ticket zu befördern, nicht aber, hoheitliche Kontrollen durchzuführen“, betonten die Fluggesellschaften Anfang der 90er Jahre. Beim höchsten deutschen Verwaltungsgericht sah man in der Zwangsgeldregelung sogar einen Verstoß gegen das damals noch nicht demontierte Asylgrundrecht. Schon vor der Grenze werde eine „Zugangsbarriere“ errichtet, die verhindere, daß die Asylberechtigung überhaupt geprüft werden könne.

Nach Informationen von amnesty international gab es bei Teilen des Zweiten Senats in Karlsruhe durchaus Sympathien für diese Sichtweise. Tatsächlich hat sich das BVerfG nun um jede inhaltlich Stellungnahme gedrückt und die Vorlage aus Berlin für „unzulässig“ erklärt. Es komme für die Entscheidung der Airline-Klagen nämlich überhaupt nicht darauf an, ob das Beförderungsverbot grundgesetzkonform sei oder nicht. Denn das Asylgrundrecht schütze nur Flüchtlinge, nicht aber Fluggesellschaften. Auch die „allgemeine Handlungsfreiheit“ der Fluggesellschaften sei nicht berührt. Danach wäre es zwar verboten, Bußgelder auf verfassungswidrige Gesetze zu stützen. Dann allerdings hätten die Berliner Richter auch andere Regelungen, die eine Visumspflicht vorsehen, als verfassungswidrig kritisieren müssen.

In den vergangenen Jahren sind ähnliche Bußgeldverfahren gegen Fluggesellschaften nicht mehr bekanntgeworden, obwohl die gesetzlichen Grundlagen immer noch bestehen. Doch schon aus einem anderen Grund versuchen die Airlines, Flüchtlinge vor Flugantritt auszusondern: Nach erfolglosem Asylverfahren müssen sie diese kostenlos zurückbefördern.

Heute ist der Luftweg wegen der Drittstaatenregelung zwar der einzig legale Weg zum im Grundgesetz vorgesehen Asyl. Daneben existiert jedoch noch der großzügigere völkerrechtliche Asylanspruch der Genfer Flüchtlingskonvention. Hier haben auch die auf dem Landweg eingereisten Flüchtlinge noch eine Chance.

(Az.: 2 BvL 55/92)