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Licht aus für Neonazi-Hetendorf

In dem gestern aufgelösten niedersächsischen Schulungszentrum trafen sich Neonazis. Vorträge zur „Rassentheorie“ und Germanenspiele  ■ Aus Hamburg Kai von Appen und Andreas Speit

Der Hamburger Rechtsanwalt Jürgen Rieger gehört zu den schillernden Figuren und ideologischen Vordenkern der bundesdeutschen Neonazi-Szene. Seit 1996 ist Rieger Vorsitzender des Heide-Heim-Vereins und Eigentümer des Hetendorfer Tagungszentrums in der Lüneburger Heide. Das „Anwesen Nr. 13“ befindet sich seit 1990 in der Obhut des Heide-Heim-Vereins. Jahrelang veranstalteten dort die „Wiking Jugend“ sowie andere rechtsradikale Organisationen ihre militanten Pfadfindertreffen sowie Wehrsportübungen. Nach den Verboten der in Hetendorf tagenden „Wiking Jugend“, „Nationalen Liste“, „Nationalistischen Front“ und „Freiheitlichen Arbeiterpartei“ sei der Verein um Rieger zuletzt für die Planung, Organisation und Durchführung der „Hetendorfer Tagungswochen“ verantwortlich gewesen. So war die Verbotsverfügung gegen den Verein vor allem auf die Person Riegers zugeschnitten gewesen.

Im niedersächsischen Innenministerium gab es nun Befürchtungen, daß die Institution durch eine Abwahl Riegers als Vorsitzender ein Verbot unterlaufen könnte. Innenminister Gerhard Glokowski begründet die Verbotsverfügung damit, daß die Veranstaltungs- und Schulungseinrichtung von dem Verein als Treffpunkt für rechtsextremistische und neonazistische Gruppierungen bereitgehalten worden sind. Auf den „Hetendorfer Tagungswochen“, die jährlich stattfinden, werde „die Überwindung der verfassungsmäßigen Ordnung mit kämpferischen Mitteln“ propagiert und die „Verherrlichung des Nationalsozialismus“ betrieben, die, so Glogowski weiter, „in diesem Heim gerade auch Jugendlichen von überzeugten Nationalsozialisten gezielt vermittelt werden“.

Gegen die Hetendorfer Neonazi-Treffs hatte es immer wieder Demonstrationen gegeben. So tagte unter anderem im Mai 1997 unter Polizeischutz der „Nordische Ring“ und führte Schulungen zum Thema „Rasse als Lebensgesetz“ durch. Im Dezember vorigen Jahres hatte Rieger für die „neu-heidnisch-rechtsextreme“ „Artgemeinschaft“ (400 Mitglieder) zur Wintersonnenwende geladen, zu der 50 Alt- und Neonazis gekommen waren. Thema: „Bewahrung und Erneuerung der weißen Menschenart“.

Der Heide-Heim-Verein ist nicht die einzige Institution, die Rieger als Vorsitzender leitet. So war der Anwalt, der die Neonazi- Führer Christian Worch (NL) und Andre Goertz (FAP) sowie den verstorbenen Neonaziführer Michael Kühnen in spektakulären Verfahren („Auschwitzlüge“) verteidigte, auch Chef der „Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung“, die sich dem Kampf gegen den „biologischen Verrat“ und die „Rassenmischung“ verschrieben hat. Zusätzlich betreibt Rieger im schwedischen Sveneby einen „Ökohof“ mit Schulungseinrichtungen und kassierte 1996 225.000 Mark an EU-Fördermitteln aus dem Agrarfonds. 1994 wurde Rieger von der Hamburger Justiz abgeurteilt und später vom Landgericht zu einer Geldstrafe verdonnert. Der 51jährige war dabei erwischt worden, als er im Hamburger Umland mit einem VW- Wehrmachts-Kübelwagen, verziert mit SS-Runen der Panzerdivision „Hitlerjugend“, durch die Gegend gefahren war.

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