Unbeholfener Racheengel

Der amerikanische Alltag als tägliches Kriegsgebiet: In „Life During Wartime“ heißt die Devise: „Sicher leben!“. Kein Wunder, daß die Alarmanlagenbranche boomt  ■ Von Gerrit Bartels

„Life During Wartime“ ist eine Komödie, fürwahr. Doch der zynische und hinterlistige Titel des Films deutet an, wie unsinnig schwer auch ein vordergründig beschauliches Leben sein kann und wie wenig lustig das eigentlich ist. Denn auch der Alltag ist ein einziges Kriegsgebiet, das ist auf dem Land nicht anders als in der Stadt, auf dem flachen Land genauso wie auf den Hügeln Hollywoods. Da regieren Angst und Mißtrauen, da lauern die kriminellen Elemente an jeder Ecke, da ist Besitzstandswahrung oberstes Gebot. Was Wunder, daß gerade die Sicherheitsbranche boomt, daß in Evan Dunskys Film einer wie Tommy (David Arquette) eine schnelle Karriere als Alarmanlagenverkäufer bei der Firma „Grigoris Home Security Systems“ und im Fernsehen machen kann. Live safely! heißt es augenzwinkernd im Abspann, und wie der Film zeigt, hat diese Aufforderung so ihre Tücken, verfängt sich vor allem der amerikanische Kleinbürger in den Netzen des eigenen Sicherheitsbedürfnisses.

Für Tommy jedoch ist das erstmal alles kein Problem: Er ist gutgläubig und naiv, er sieht zwar ein bißchen dümmlich aus, aber dennoch vertrauensvoll, er kann hervorragend quatschen, und er ist der Protegé seines Chefs Heinrich Grigoris (Stanley Tucci). Als sich mit der Künstlerin Gale (Kate Gapeshaw) beim Türklinkenputzen und Alarmanlagenverkaufen sogar eine Frau fürs Leben findet, scheint sein Glück vollkommen. Ein erstes Alarmsignal aber ist sein Mißerfolg beim Ehepaar Fielding, wo sich der Herr des Hauses gegen die Installation einer Alarmanlage wehrt: Allzeit für den Ernstfall gewappnet, zeigt er Tommy stolz sein Waffenarsenal, das ihm später freilich selbst zum Verhängnis wird. Noch überraschter und irritierter ist Tommy allerdings, als er mitansehen muß, daß sein Chef eigenhändig dem Absatz nachhilft: Nächtens löst er die von seiner Firma installierten Alarmanlagen aus, um die noch unversorgten Nachbarn auf deren Notwendigkeit aufmerksam zu machen.

An dieser Stelle nimmt „Life During Wartime“ seine Wendung. Wirkt der Film zuerst wie eine lahme Humoreske, die ein wenig orientierungslos vor sich hinplätschert, nimmt er hier plötzlich Fahrt auf, spitzt sich zu, wird schwarz und grotesk. Schon etwas aus der Bahn geworfen, braucht Tommy Abstand und fährt mit seiner Freundin am Wochenende zu seinen Eltern aufs Land. Hier stellt er ihr diese und seine leicht mißratenen Geschwister vor, hier zeigt er ihr sein Jugendzimmer, hier werden Cola und Fertiggerichte zum Abendbrot gereicht: Amerika, wie es schöner nicht sein kann. Nicht ganz das Richtige für die feinsinnige Künstlerin, die sich in der Nacht wegschleicht, um dann mitsamt ihrem Sohn im eigenen Heim umgebracht zu werden – trotz Alarmanlage. So gehen für Tommy ein paar Lichter auf, er wird zum Racheengel. Zu einem unbeholfenen allerdings, denn er schafft es nicht, seinen ständig auf ihn einwirkenden und irgendwie übermächtigen Chef zur Verantwortung zu ziehen. Das Leben aber geht weiter, und so wird Tommy Fernsehstar, dessen reines Gesicht zahlreiche Werbespots ziert. Gerrit Bartels

Panorama: Heute, 21.15 Uhr Royal Palast; 15.2., 15.30 Uhr, Atelier am Zoo; 23.2., 17 Uhr International