Ein- oder vielfältig?

■ Die reaktionäre Kultusministerkonferenz wird 50 – sie ist älter als die Bundesrepublik Deutschland, reaktionärer als der Papst und gelegentlich das Objekt von Haßausbrüchen

Eigentlich paßt sie viel mehr in die Kategorie „graue Maus“. Dennoch: Die Jubilarin taugt zum Ärger. Selbst unser Kanzler riß sich zu leidenschaftlichen Worten hin: Die Kultusministerkonferenz, so schalt er, sei „die reaktionärste Einrichtung der Bundesrepublik“. Dagegen könne direkt „der Vatikan noch weltoffen“ genannt werden. Das Kanzler-Wort fiel damals in die Hochzeit des Bundesländer- Streites um die Novelle des Hochschulrahmengesetzes. Damals sah es so aus, als wollten die Länder Kohls Zukunftsminister den Erfolg als Hochschulreformer nicht gönnen. Im August konnte Bundesbildungsminister Jürgen Rüttgers ihn dann doch einstreichen.

Was aber kann die Kultusministerkonferenz (KMK) dafür? Sie gleicht dem Sack, der geschlagen wird, wenn man den Esel nicht pieksen mag. Für den aber halten so manche den Föderalismus mit seinen Mühen. So muß die KMK vor allem dann herhalten, wenn es im Grunde um die Frage geht, ob Kultur und Bildung bei den Ländern gut aufgehoben seien oder nicht doch besser zentral von einem Bundeskultusministerium geregelt werden müßten. Dabei ist die KMK im Grunde der institutionalisierte Kompromiß zwischen beiden Extremen. Formal stellt sie nichts anderes dar als eine Arbeitsgemeinschaft der Kultus- und WissenschaftsministerInnen aus allen Ländern.

Der KMK obliegt die schwierige Aufgabe eines Spagats zwischen hinreichender Ländervielfalt und notwendiger Ländereinheit. In den 70er Jahren wurde ihr vorgeworfen, letztere zu verfehlen. Im Februar 1978 legte die Bundesregierung einen „Bericht über strukturelle Probleme des Bildungsföderalismus“ vor, der den Ländern bescheinigte, sie hätten bei der Aufgabe, ein einheitliches Bildungswesen in ganz Deutschland herzustellen, versagt.

20 Jahre später muß die KMK sich das Gegenteil anhören: sie unterdrücke den notwendigen Wettbewerb und verhindere deshalb jede Reform. Die Folgerung ist beide Male dieselbe: Die KMK müsse „entmachtet“ werden, so der flotte FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle im vergangenen September. Die mittlerweile gereifte Dame hat die Angriffe mit bürokratischer Behäbigkeit überstanden. Zum 50. Jahrestag verweist sie stolz darauf, älter zu sein als die Bundesrepublik – und damit auch älter als die Deutsche Demokratische Republik.

Am 19. und 20. Februar 1948 kamen zur ersten „Konferenz der deutschen Erziehungsminister“ in Stuttgart-Hohenheim auch Abgesandte aus den fünf Ländern der sowjetischen Besatzungszone. Das nächste gesamtdeutsche Treffen fand knapp 43 Jahre später statt.

In den ersten zwei Jahrzehnten sorgte die KMK mit dem „Düsseldorfer Abkommen“ (1955) und dem „Hamburger Abkommen“ (1964) für die Vereinheitlichung des Schulwesens. Es folgten die hitzigen Debatten um die Gesamtschule und die Oberstufenreform, deren Nachwehen bis heute zu spüren sind. So richtig bekannt geworden ist die KMK jedoch erst im Herbst 1996: Damals bemerkten zunächst einige aus den Ferien zurückgekehrte Schriftsteller, daß am 1. Juli der Präsident der KMK sowie ein Vertreter des Bundesinnenministeriums gemeinsam mit den Abgesandten der deutschsprachigen Staaten eine Erklärung unterschrieben hatten, auf Grund derer sie die in den beiden vorausgehenden Jahren untereinander abgestimmte Rechtschreibreform umzusetzen gedachten.

Seitdem ist die KMK gelegentlich Objekt von Haßsausbrüchen geworden. Man warf ihr Anmaßung vor. Schließlich dürften nicht einige Kultus- und WissenschaftsministerInnen allein darüber befinden, wie ein ganzes Volk zu schreiben habe. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Sache steht noch aus. Nicht ohne Unbehagen betrachtet sich auch die KMK selbst. Ihr letzter Präsident, der niedersächsische Kultusminister Rolf Wernstedt, schlug zum Ende seiner Amtszeit vor, künftig solle man zwei PräsidentInnen wählen und diese für drei oder vier Jahre im Amt lassen. Bisher wird jenes Amt im jährlichen Wechsel neu besetzt. Das aber, meinte der vom Kampf um die Rechtschreibreform arg gebeutelte Wernstedt, verhindere ein medienwirksames Auftreten der KMK. Dort aber, in den Medien, zählen die Köpfe, die sich durch jahrelange standhafte Interviewbereitschaft dem Publikum empfehlen. In monatelangem Verhandeln zwischen einem guten Dutzend Kultus- und WissenschaftsministerInnen errungene Kompromißbeschlüsse sind vergleichsweise wenig reizvoll. Aber so ist nun mal der Föderalismus. Imke Henkel