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Ein Glas-Penthouse für den Staatsrat

■ Wirtschaftsstaatsrat Frank Haller verdrängt den bisherigen Leiter des „Bremer Ausschuß für Wirtschaftsforschung“und bekommt ein Arbeitszimmer an der Uni – vorerst zusätzlich

Im Technologiepark Universität an der Wilhelm-Herbst-Straße ist ein imposantes Gebäude entstanden: Ein leicht rund geschwungenes Bürohaus, trotz großer Glasflächen nach modernsten energiewirtschaftlichen Gesichtspunkten gebaut, das spiegelbildliche Ebenbild der nebenstehenden Ecotec-Gebäudemanagement-Immobilie des Niemeyer-Ingenieurbüros. Mit 7,2 Millionen aus EU-Töpfen konnte das Wirtschaftsressort dieses Gebäude fördern, das oberste Stockwerk ist im repräsentativen Penthouse-Stil draufgesetzt: Hier wird der Staatsrat des Wirtschaftssenators, Dr. Frank Haller, eine Nebenresidenz mit Arbeitszimmer und Blick über den Technologiepark bekommen.

Denn in die Glasetage soll der „Bremer Ausschuß für Wirtschaftsforschung“(BAW) umziehen, eine kleine wissenschaftliche Abteilung des Wirtschaftsressorts. Der war eine Art Intelligenz-Quelle der bremischen Wirtschaftspolitik: Sowohl Haller wie sein Kollege Günter Dannemann, inzwischen Staatsrat im Finanzressor, kommen vom BAW und waren vor ihrem Wechsel in die Politik einige Jahre lang Leiter des BAW.

Seit drei Jahren hat der BAW aber nur einen „kommissarischen Leiter“, der sich mit A 16 anstelle des sonst übliches Salärs auf dem Niveau B 4 begnügen muß. Ursprünglich sah es so aus, als sollte der neue, Dr. Peter Frankenfeld, nach einer Übergangsfrist auch ordentlicher Leiter werden. Jahr um Jahr verging, das „komissarisch“blieb und wurde immer diskriminierender. Frankenfeld war gleichzeitig höchst erfolgreich in seiner anderen Funktion – als EU-Referent des BAW, er hat sich auch um die 7,2 Millionen Fördergelder für das neue Domizil gekümmert.

Inzwischen ist klar, daß Frankenfeld nie Leiter des BAW werden soll. Denn Haller, der als Staatsrat der Vorgesetzte auch des „kommissarischen“BAW-Leiters ist, hat seit über zehn Jahren ein Papier in der Tasche, das ihm die Rückkehr auf die Stelle des BAW-Chefpostens garantiert. Alle BAW-Chefs nach Haller mußten unter dieser Rückversicherungs-Hypohek ihres Staatsrates arbeiten. Und von dieser Option will Haller nun Gebrauch machen: Nebenher, so zwei oder drei Nachmittage in der Woche, das hat er den BAW-Wissenschaftlern erklärt, will er den Ausblick über den Technologiepark genießen und die Funktion der Leitung des BAW wieder selbst ausfüllen. Dr. Frankenfeld muß dafür natürlich irgendwie weg. „Ich habe ja auch zusätzlich die Stelle des Leiters der Planungsabteilung des Wirtschaftsressorts ausgefüllt“, erklärt Frankenfeld, die bliebe ihm ja. Mehr will er nicht sagen zu dem Thema. Konflikte mit dem Staatsrat um die Arbeit habe es nicht gegeben, sagt der loyale Beamte.

In Wahrheit ist die „Planungsabteilung“in ein Planungsreferat zurückgestuft worden. Und die Arbeit des BAW ist seit Monaten durch den internen Konflikt um die Umstrukturierung lahmgelegt. Im BAW wurde die Fortschreibung des „Wirtschaftspolitischen Aktionsprogramms“WAP Teil IV ausgearbeitet – und verschwand im Aktenschrank. Im BAW wurde ein Controlling der gesamten Behörde geplant – und nie umgesetzt. Die wissenschaftliche Begleitung der für das Überleben des Stadtstaates entscheidenden Projekte des Investitionssonderprogramms sucht man in den Veröffentlichungen des BAW vergeblich, an dieses Thema durften die unabhängig denkenden Wissenschaftler des Wirtschaftssenators sich nicht heran.

Im Weser Kurier wurde Ende November 1997 die offizielle Version vom Umzug des BAW in den Technologiepark dargestellt: „gebührende örtliche Distanz zum Wirtschaftssenator“werde damit geschaffen, künftig solle der BAW „zentrale bremische Fragen“behandeln, wie die Bewertung von ISP-Projekten. Der Text, der von höchster Stelle inspiriert scheint, wurde im BAW selbst als Unverschämtheit und Kriegserklärung gewertet und mit einer mehrseitigen Protest-Note beantwortet, beigelegt war die imposante Veröffentlichungs-Liste des BAW. Insbesondere fehlte im Weser Kurier erstaunlicherweise der Hinweis, daß der Staatsrat selbst im zusätzlichen Nebenamt die Leitung des BAW übernehmen will – die Floskel von der „gebührenden Distanz zum Wirtschaftssenator“wäre in diesem Lichte eher belustigend gewesen.

Oder will Frank Haller als Staatsrat aufhören und sich in „gebührender Distanz zum Wirtschaftssenator“auf die Penthouse-Etage zurückziehen? Im BAW geht man davon aus, daß dies zur Bürgerschaftswahl 1999 passiert und Haller sich dort jetzt schon die Rückzugsposition sichern will, indem er den „kommissarischen“BAW-Leiter vom Stuhl drängt, mit einer handverlesenen Zahl der BAW-MitarbeiterInnen umzieht und selbst nebenher den BAW-Chefposten übernimmt. K.W.

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