piwik no script img

Nun hat man eben einen

■ Der SFB hat einen neuen Intendanten. Doch Horst Schättle wurde nur gewählt, weil der SFB-Rat endlich einen Ausweg brauchte

„Mein Gott“, sagt Horst Schättle, Projekte, Visionen – wie solle er die nach acht Jahren SFB noch übrig haben. „Hach, mein Gott“, sagt Horst Schättle, die Probleme des SFB – die ganze ARD habe welche. „Mensch“ sagt Horst Schättle, nach einer Ansprache und einigen Wortwechseln mit den anwesenden Journalisten („den Kollegen“), „hör auf, ich freu' mich.“ Eben hat der SFB-Rundfunkrat den 58jährigen bisherigen Fernsehdirektor des Senders mit klarer Mehrheit zu seinem Intendanten gewählt. Eine Lösung, die man auch schon früher hätte haben können, wie jemand anmerkt.

Aber genau das wollte man nicht. Seit im September der glücklose Günther von Lojewski aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten war, hatte man in dem Aufsichtsgremium nach einem ganz Großen gesucht: Einem, der „Standing in der ARD“ hat (SPD- Gremienchefin Marianne Brinckmeier), einem „rüstigen 50jährigen“, der ein „guter Jurist“ ist (CDU-Rundfunkrat-Strippenzieher Klaus Landowsky), nach einem, der einen „personellen Neuanfang“ signalisiert (die bündnisgrüne Medienpolitikerin Alice Ströver). Danach hat man die ganze Republik durchkämmt, sich Körbe geholt und sogar mit den Launen von Günter Struve herumgeschlagen (der ARD-Programmchef wollte manchmal kandidieren, manchmal nicht). Der Sender hat nämlich, neben anderen, ein kleines Wahrnehmungsproblem: Kaum jemand außerhalb Berlins findet den SFB noch wichtig, und auch in der Hauptstadt schwindet die Bedeutung. Die soll aber, auch medienpolitisch, demnächst sehr wichtig werden.

Die Räte und Politiker, die in Berlin derlei regeln, schienen „den Großen“ sogar auch wiederholt gefunden zu haben, verstrickten sich aber dann über Monate im eigenen Intrigenspiel. Doch solange man keinen Intendanten hat, ahnten die Räte schließlich, bleibt der Sender paralysiert und fällt der Blick auf die unglaublichen Unfähigkeiten der hauptstädtischen Medienpolitik. Der Ausweg heißt nun Horst Schättle. Schättle, der mit überraschender Geduld abgewartet hat, bis alles auf ihn zulief, kann nichts dafür. Weder spielten seine Qualitäten bei seiner Wahl eine große Rolle, noch sind die, die ihn nun wählten, glühende Schättle-Anhänger. Zwei Argumente sprachen für ihn: Kontinuität (er kennt den Sender seit acht Jahren) und Sicherheit (an ihm weiß man, was man hat – und was nicht).

Beides versprach der neue Intendant am Montag abend zu gewährleisten. Nun wolle er als erstes „die nächsten Jahre ordentlich über die Runden bringen“. Visionär ist das tatsächlich nicht. Wenn er irgendwelche Projekte hätte, entgegenet Horst Schättle, hätte er sie ja in den acht Jahren als Fernsehdirektor schon durchsetzen können. Doch wie sieht diese Normalität aus? „Daß der SFB auch nach draußen wieder das wird, was er eigentlich ist“, sagt Schättle. Und: „Wir sind doch nicht die Deppen der Nation!“ Jetzt will er „wieder Ruhe ins Haus bringen“, und zu dem ganzen Chaos sagt er nur: „So ist Demokratie halt.“

Im Haus soll also alles wieder wie vorher sein – im Rundfunkrat war am Montag schon alles ganz wie in alten Zeiten, als das Parteienregiment routiniert seine Kandidaten durchkungelte. Nichts war mehr zu spüren von den Absetzbewegungen: Die SPD-Nahen wählten im ersten Wahlgang durchgängig ihr Mitglied Schättle (7 Stimmen), die CDU-Getreuen wählten treu ihr Mitglied Hans-Günther Brüske (10 Stimmen), und der unabhängige Zirkel wählte Martin Buchhorn. Aber schon im zweiten Wahlgang schwenkten alle CDU- Räte offenbar kommandogemäß auf Schättle um, ebenso die drei Stimmen, die sich auf weitere Kandidaten verteilt hatten – nur die „Grauen“ blieben bei ihrer Wahl. Mit 20 Stimmen hat der neue Intendant eine breite Mehrheit und die in Berlin regierende große Koalition einen der Ihren ganz oben.

Doch leider hat der SFB eine ganze Menge Probleme, bei denen ihm die Rückkehr zur Normalität kaum helfen wird: Der Sender ist hochverschuldet, überaltert und über weite Strecken demotiviert. Programmliche und programmatische Impulse kamen von ihm schon lange nicht mehr, abgesehen von dem munteren Radio Multikulti, das nur gegen große Widerstände etabliert werden konnte.

Doch das Schlimmste für den Sender ist der Platz am Katzentisch in der ARD. Schättle-Vorgänger von Lojewski war bei ARD-Sitzungen allenfalls für Gelächter gut, und nach der Wende war der SFB- Anteil am Ersten massiv geschrumpft. MDR-Intendant Udo Reiter überlegt gelegentlich, wie man den SFB am schnellsten in anderen Modellen verschwinden lassen könnte, und den ARD-Finanzausgleich, von dem der Sender bislang größtenteils lebt, wird es in drei Jahren kaum mehr geben. Gestern schon ist Schättle zu einem Treffen mit den Gebührenkontrolleuren von der KEF gefahren, um über seinen Finanzbedarf zu reden.

Die große Hoffnung im SFB: Wenn Berlin erst Regierungshauptstadt sei, müsse doch auch der Sender wichtig werden. Energisch pocht man auf die Oberhoheit über das künftige ARD- Hauptstadtstudio, die man wie der WDR in Bonn wahrnehmen will – doch die mächtigen Großsender des Verbundes wollen der Berliner grauen Maus das Feld nicht überlassen.

Ein anderes Ziel, das den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der Hauptstadtregion sichern helfen könnte, geht mit Schättle möglicherweise eher als mit seinem Vorgänger: die Fusion mit dem ORB. Mit dem Potsdamer Sender wünsche er sich noch weitaus mehr Zusammenarbeit, sagte Schättle gestern. Bezüglich der Fusion sollten sich die Politiker zusammensetzen. Vielleicht ändert sich ja doch noch mal was. Lutz Meier

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen