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Nix erste Reihe!

■ Die Millionen Ausländer in Deutschland kommen in Radio und Fernsehen kaum vor

Als Harry Wijnvoord Ende letzten Jahres seine Kandidaten zum letzten Mal „Was kostet denn wohl diesen Waldhonig?“ fragen durfte, verabschiedete sich mit dem „Der Preis ist heiß“-Onkel wieder mal ein Fernsehschaffender mit ausländischem Paß vom deutschen Fernsehschirm. Andererseits muß man sich um die Holländer kaum sorgen. Gemessen an ihrem Anteil an den gut sieben Millionen Deutschen sind sie in der Tele-Spaß- Branche nach wie vor überrepräsentiert.

Was man von Menschen aus Eritrea, Vietnam oder – weniger exotisch – Portugal schwerlich behaupten kann. Selbst Türken, mit 30 Prozent die größte „Community“ (wie MdB Cem Özdemir das nennt), sitzen hierzulande allenfalls in der letzten Reihe. „Eine völlig inakzeptable Situation“, konstatierte WDR-Chef Fritz Pleitgen auf einer Veranstaltung von Bündnis 90/Die Grünen zum Thema „Ausländer und Medien“ vergangene Woche in Köln.

Worin ihm, logo, alle beipflichteten. Bei der Frage, wie hier mehr Integration vonstatten gehen könnte, gingen die Vorstellungen hingegen weit auseinander. Mit sowas wie der von Pleitgen seit Jahren, nach dem Vorbild von SFB- Multikulti, angedachten bundesweiten Hörfunkwelle (Arbeitstitel: „Funkhaus Europa“) könnten sich alle anfreunden. Aber die wird es so schnell nicht geben. Zum einen läßt sich das innerhalb der ARD zur Zeit kaum durchsetzen (Pleitgen: „Nicht alle in meinen Kreisen sehen da Bedarf“), zum anderern fehlt für eine solche Welle, die die Interessen der weit über 100 in Deutschland lebenden Nationalitäten berücksichtigt, noch immer ein Konzept. Schließlich verbindet die Ausländer der weit über 100 in Deutschland lebenden Nationalitäten letztlich kaum mehr als der Umstand, nicht Deutsche zu sein.

Folglich wird es in diesem Jahrtausend bei den meisten ARD- Sendern im Hörfunk wohl vorwiegend bei jenen „muttersprachlichen Programmen“ bleiben, zu denen sie seit den 60er Jahren gesetzlich verpflichtet sind. Doch über diese „Brücken der Heimat“ geht kaum noch einer. Lauschten beispielsweise 1990 noch 52 Prozent der in NRW lebenden Türken diesem WDR-Programm, waren es fünf Jahre später nur noch fünf Prozent. (Bei Fernsehsendungen wie „Babylon“ [WDR] oder „Nachbarn“ [ZDF] sieht das kaum besser aus.) Der Grund ist simpel: Fast alle türkischen Haushalte haben per Kabel oder Schüssel inzwischen mindestens einen türkischen TV-Sender im Haus, der selbst von der in Deutschland geborenen Generation ausgiebig genutzt wird. Was engagierte Integrationsvertreter kaum glücklich macht. Zum einen beziehen Türken Informationen über ihren unmittelbaren Lebensraum Deutschland überwiegend aus dem türkischen Fernsehen, zum anderen ist ein Sender wie TRT mit seiner antikurdischen Propaganda kaum das, was engagierten Menschen wie Cem Özdemir als Programm für seine Landsleute in Deutschland vorschwebt.

Fragt sich, was die Ausländer denn überhaupt gern hören und sehen möchten. Lauschte man einigen Diskutanten in Köln, klang das Wunschprogramm manchmal wie „Monitor“ in Landessprache rund um die Uhr. Was kaum der Realität entsprechen dürfte. Im Prinzip kann Integration, wie Sabine Jungk vom „Zentrum für Migration“ in Solingen betonte, nur heißen: „Ausländer selbstverständlich in existierende Mainstreamprogramme“ zu integrieren – vor und hinter der Kamera. Was ja in Ansätzen durchaus geschieht. In der „Lindenstraße“ sowieso, aber auch in Serien, Soaps und Talkshows sind Ausländer zunehmend häufiger vertreten. Was wahrscheinlich noch weitaus häufiger der Fall wäre, hätte die GfK endlich ihr Ausländer-Panel fertig. (Bislang sind die sieben Millionen Nichtdeutsche bei den täglichen Quotenmessungen nicht erfaßt.) In ein paar Jahren soll es endlich soweit sein, dann werden ausländische Akteure auch bei den Privaten plötzlich weitaus häufiger auf dem Schirm erscheinen. Auch Integration läuft im Kapitalismus nun mal „ganz natürlich“ über Kaufkraft und Konsum. Reinhard Lüke

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