■ Kiffer's Korner: Punks heißen Amok
B. ist Mitte 30, ein selbstbewußt proletarischer Kiffer, der aus bundtechnischen Gründen mal nach Berlin kam. Jede Woche trifft er sich mit Freunden zum Video- oder Doppelkopfspielen. Dabei wird viel gehascht.
78 hatte ich mit einem Freund zum ersten Mal gehascht. Im „Terminus“. Das war so ein Laden in der Mainzer Altstadt. So eine typische 70er-Jahre-Diskothek, die schon ziemlich verrufen war. Wir waren 16 und hatten immer so getan, als wenn wir schon älter wären. Zu unserem ersten Piece kamen wir über eine Frau, die wir da kennengelernt hatten. Ich hab' nichts gemerkt. Mein Freund war gut druff. Der hat gut abgelacht. Ein, zwei Tage später hab' ich dann auch was gemerkt und dachte: O ja, das ist es! Es gab noch eine andere Kneipe. Die „Pinte“. Da waren mehr so die Christiane-F.-Leute, die schon ein bißchen mehr auf ihr Äußeres geachtet haben. Aber da gab es eben auch sehr viel harte Drogen. Da ging man nicht so gern hin. Mußte man aber, wenn man sich was kaufen wollte – anders ging das nicht.
Am Anfang war das Drogennehmen mehr nur so Fun. Man hat das ja in so 'ner Art Zeremonie geraucht und auch tierisch viel gelacht dabei. Es war auch noch sehr spannend, sich ein Piece zu kaufen. Man kam ja auch noch total lange mit total wenig aus. Später fing ich an, mich mehr um die Geschichte drumherum zu kümmern. Ich hatte dann alles gelesen, was irgendwie mit Drogen zu tun hatte. Als ich dann mit der Lehre anfing, hab' ich mich immer schon gefreut: Jetzt kommst du nach Hause und dann ein schönes Pfeifchen rauchen. Klasse! Oder wenn du mal scheiße drauf bist, da rauchst du einen Joint, und schon geht's besser. Später wird das Kiffen so normal wie der Kaffee am Morgen. Da macht man sich keinen Kopf mehr. Die Szene hat sich im Sommer immer am Schillerplatz getroffen. Da war von Pennern bis zu Freaks bis zu Rucksacktouristen alles dabei. Da hast du halt Leute kennengelernt. Irgendwann kamen auch die ersten Punks. Mainz hatte damals vielleicht sechs Punks. Der eine hieß Amok. Viele Punks heißen ja Amok. Irgendwie wahnsinnig. Die Szene war zwar eher unpolitisch, aber alle hatten den Kriegsdienst verweigert. Die meisten kamen eher so aus Arbeiterfamilien. Vater Fabrik oder so. Deshalb gab es auch immer Versuche, nach Holland zu fahren, um ein bißchen Kohle zu machen. Zum Dopekaufen sind wir meist nach Frankfurt gefahren. Wenn du vom Bahnhof dann zur U-Bahn runtergegangen bist, kamst du an der ganzen Junkiescene vorbei. Das war schon ein komisches Feeling, zwischen unangenehm und irrsinnig spannend. Zwei Freunde von mir haben dann auch mit H rumgemacht. Ich konnte das irgendwie verstehen, dieses Feeling, wie die da so drauf gekommen sind. Das war irgendwie: Wir sind für was anderes da, nicht für dieses Scheißleben. Wir brauchen den Kick einfach.
Ich hab' ja immer das Glück gehabt, daß ich nie Scheiß mit Drogen erlebt hab'. Bis vor zehn Jahren habe ich auch Trips genommen. Was ich daraus gelernt hab', ist, daß alles nur durch das andere existieren kann. Es gibt nicht das eine ohne das andere. Vielleicht braucht man keine Trips dazu, aber irgendwann sieht man so was auf Trip. Irgendwie: es hängt alles zusammen. So würde ich das sagen. Protokoll: Detlef Kuhlbrodt
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