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Gegen den Strom

Betreiber von Blockheizkraftwerken klagen über die Preispolitik der Bewag. Marktliberalisierung kommt 1999  ■ Von Volker Wartmann

„Die Bewag will vor der Marktöffnung ganz offensichtlich noch ein paar Duftmarken im Revier setzen“, so Peter Dietrich, Stromwirtschaftler bei der Blockheizkraftwerks-Träger und Betreibergesellschaft mbH Berlin (BTB). Während Großkunden etwa zehn Prozent günstigere Tarife als bisher erhalten, hat die Bewag die Einspeisevergütung für Überschußstrom aus Blockheizkraftwerken (BHKW) 1997 um rund ein Viertel reduziert. Zuerst wurde die Einspeisevergütung zum 1. Januar 1997 um fünf Prozent vermindert. Zum 30. September 1997 wurden dann sämtliche Verträge mit BHKW-Betreibern gekündigt. Die neuen Konditionen sehen eine Reduzierung der Einspeisevergütung um weitere 20 Prozent vor.

Nach Ansicht der Interessengemeinschaft der BHKW-Betreiber in Berlin setzt die Bewag mit ihrer Politik viele zukunftsträchtige Arbeitsplätze aufs Spiel. Im Bereich der BHKW wurden in Berlin in den letzten fünf Jahren rund 300 Arbeitsplätze in mittelständischen Unternehmen neu geschaffen. Allein bei der BTB sind rund 100 Mitarbeiter beschäftigt. Die BTB versteht sich als alternativer Anbieter von Strom und Wärme in Konkurrenz zu den Großunternehmen der Stromversorgungswirtschaft. Das 1990 mit Unterstützung des Senats gegründete Unternehmen hatte 1996 einen Umsatz von 41 Millionen Mark. „Es darf kein Aus für BHKW geben“, sagt Dietrich. „Gegenwärtig ist in der Energiewirtschaft keine gleichwertig umweltverträgliche Maßnahme erkennbar, um Ressourcen zu schonen und Kohlendioxid-Emissionen bis zu 40 Prozent zu reduzieren.“

„Wir haben die Höhe der Einspeisevergütung lediglich den neuen Marktgegebenheiten angepaßt. Die Strompreise und damit die Vergütungssätze liegen auf einem bundesweit üblichen Niveau“, sagt Hermann Homann, Sachgebietsleiter für Kostenanalyse und Preisgestaltung bei der Bewag. „Die Betreiber von BHKW haben über lange Zeit von dem relativ hohen Strompreisniveau in Berlin profitiert und hatten dadurch eine hohe Einspeisevergütung.“ In einem zukünftigen liberalen Strommarkt werde der Wettbewerb „wesentlich über den Preis laufen“ und dem müsse sich die Bewag anpassen.

Nach Angaben der Interessengemeinschaft der BHKW-Betreiber in Berlin zeigen Vergleiche mit 50 anderen Energieversorgungsunternehmen folgendes Bild: Beim Zusatzstrombezug für BHKW-Betreiber liegt die Bewag mit den neuen Tarifen 18 Prozent über dem Durchschnitt, bei der Einspeisevergütung liegt sie jedoch etwa 15 Prozent unter dem Durchschnitt.

Ende 1997 stellten in Berlin 70 BHKW etwa 75 Megawatt elektrisch installierte Leistung zur Verfügung, so die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie. Zum Vergleich: Bei der Bewag sind es etwa 2.800 Megawatt. „Nach dem Willen des Senats sollen bis zum Jahr 2010 rund 200 Megawatt elektrisch installierte Leistung aus BHKW stammen“, erläutert Gerd Boström, Mitarbeiter im Klimaschutzreferat der Senatsverwaltung. „Bis zum Jahr 2000 sind bereits Kapazitäten für weitere 40 Megawatt im Bau beziehungsweise in Planung.“

Jan Kröger, einer der Geschäftsführer der Ingenieurgemeinschaft Syrius und Ansprechpartner bei der Interessengemeinschaft der BHKW-Betreiber in Berlin, sieht in der Vertragsgestaltung einen Mißbrauch der Monopolmacht durch die Bewag: „Die Bewag-Politik zielt auf Verunsicherung bei potentiellen BHKW- Nutzern ab. Sie will weiteren Zuwachs von dezentralen BHKW verhindern. Bei einer solchen Politik ist keine langfristige Planungssicherheit für BHKW-Betreiber und -Anbieter gegeben.“ Ob die derzeit geplanten BHKW-Projekte jetzt noch realisiert würden, stehe in den Sternen. Die Planer seien ursprünglich von ganz anderen wirtschaftlichen Bedingungen ausgegangen.

Spätestens Anfang 1999 wird der Strommarkt in Deutschland liberalisiert, wenn nicht schon vorher das neue Energiewirtschaftsgesetz in Kraft tritt. Ab dem 19. Februar 1999 wird die EU-Binnenmarktrichtlinie Strom für die Bundesrepublik gelten. „Dann sind eigener Leitungsbau und Durchleitung des Stromes durch die Netze der Energieversorger zum Kunden möglich. BHKW-Betreiber, die solange durchhalten, bekommen dann wieder bessere Chancen“, mutmaßt Dietrich.

Kröger ist in bezug auf die weitere Realisierung von BHKW vorerst skeptisch: „Der Senat verändert die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen durch zusätzliche Auflagen bei der Erteilung von Betriebsgenehmigungen für BHKW-Betreiber.“

Kontakt: Interessengemeinschaft der BHKW-Betreiber in Berlin, c/o Syrius GmbH, Weichselplatz 3–4, 12045 Berlin, Telefon: 61395122, Fax: 61395151

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