: EU gegen deutsche Asylpolitik
■ Im neuesten EU-Menschenrechtsbericht wird Bonn indirekt angegriffen. Abschiebung aus der Bundesrepublik in sogenannte sichere Drittländer kritisiert. Kampf gegen Schleuser angemahnt
Berlin (taz) – Der aktuelle Menschenrechtsbericht der Europäischen Union, den das Europaparlament in Straßburg am Mittwoch mit großer Mehrheit annahm, kritisiert die Asylpolitik der Bundesrepublik. Obwohl die Regierung in Bonn nicht explizit genannt wird, zielt eine Vielzahl von Kritikpunkten hauptsächlich gegen die deutsche Asyl- und Einwanderungspolitik.
Konservative und Rechte hatten im Straßburger Plenum gegen den nach monatelangen Diskussionen angenommenen Bericht gestimmt. In ihm werden die Mitgliedsstaaten aufgefordert, den Beispielen „einiger Mitgliedsstaaten“ zu folgen, illegal eingewanderte Flüchtlinge „in Einklang mit den Menschenrechten und den internationalen Übereinkommen“ zu legalisieren. Solche Initiativen gibt es in Ansätzen in Frankreich, Italien und Spanien. In der Bundesrepublik findet gerade der umgekehrte Weg statt. Der Bundesrat will per Gesetzesänderung diesen Menschen jedwede legale Lebensgrundlage entziehen. Geduldeten Flüchtlingen, die nach Auffassung der Ausländerbehörden freiwillig ausreisen könnten, soll die Sozialhilfe entzogen werden. Der Bundestag wird möglichweise im April oder Mai über diese Gesetzesnovelle entscheiden. Die EU-Parlamentarier halten es auf der anderen Seite für notwendig, gegen illegale Einwanderung und Schleuserringe vorzugehen.
Der Bericht kritisiert die Praxis der Abschiebung von Asylsuchenden in sogenannte „sichere Drittstaaten“, die dem Betroffenen durch mögliche Kettenabschiebungen bis hin zum Verfolgerstaat „nicht immer einen wirklichen Schutz gewähren“.
Die EU-Staaten werden aufgefordert, mit Staaten keine Rückübernahmeabkommen abzuschließen, die Menschenrechte verletzen. Die Bundesrepublik verfügt jedoch über ein noch nicht ratifiziertes Abkommen mit Algerien. Rechtskräftige Rückübernahmeabkommen wurden mit Rest-Jugoslawien und Rumänien ratifiziert, in denen nationale Minderheiten bedroht sind.
Eindeutig gegen die deutsche Praxis zielt die Rüge der EU, „daß gegen Beförderungsunternehmen verhängte Strafen und die Visa- Auflagen für Asylbewerber weiterhin unvertretbare Hindernisse für den Zugang zum Asylverfahren sind“. Die Bundesrepublik verpflichtet bekanntlich Fluggesellschaften und Taxifahrer unter Androhung von Strafen, Flug- und Fahrgäste ohne Einreisevisum nicht zu transportieren. Marina Mai
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